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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Nordlichtern am nächtlichen Himmel gleich – über die Wand flimmern sehen. Er glaubte auch ferne Schreie zu hören, und sie jagten ihm kalte Schauer über den Rücken. Auch andere waren so weit gekommen und hatten wieder kehrtgemacht. Aber er würde sich nicht aufhalten lassen. Alles drehte sich nur noch darum, dass die Sonne bald hinter dieser Barriere verschwinden würde und dass er – dass sie beide – ihr folgen mussten. Er begriff, dass dies vom Augenblick seiner Geburt an seine Bestimmung war.
    Je näher sie der Wand kamen, desto lauter wurden die Schreie. Lauter und immer noch lauter. Das schreckliche Heulen erfüllte die eisige Luft und erzeugte in Nyukus Kopf einen stechenden Druck, der ihm den Schädel zu sprengen drohte. Den Schreien folgte ein regelrechter Sturm von primitiven, ungebändigten Gefühlen, der nicht nur gegen seine Ohren brandete, sondern auch sein Bewusstsein erfasste und jeden vernünftigen Gedanken verdrängte. Blindes Entsetzen. Hunger. Angst. Er spürte, wie sich die Rückenmuskeln seines Konjunkten unter seinen Schenkeln angstvoll verkrampften. Auch der Ikata war dem Ansturm nicht gewachsen. Seine tierische Panik ergoss sich in Nyukus Gehirn und drohte, auch die letzten Reste seiner menschlichen Vernunft zu ertränken.
    Dann kamen die Schwingen des Wesens aus dem Takt, sein Flug geriet ins Stocken; sie sackten ab, und für einen grauenvollen Moment schien sich die Luft unter ihnen in ein Nichts aufgelöst zu haben. Nyuku schloss fest die Augen und richtete seinen Geist nach innen, um dem Ikata Kraft zu geben. Es schien zu wirken – das Wesen fing sich wieder, brachte ein Dutzend, zwei Dutzend Flügelschläge zustande –, doch dann wurden sie beide von den Hexenkräften der Barriere überwältigt. Die mächtigen Schwingen erlahmten, und sie stürzten abermals in die Tiefe. Die schneebedeckte Landschaft raste ihnen entgegen, und Nyuku wusste mit tödlicher Sicherheit, dass sie sich nie wieder in die Lüfte emporschwingen würden, wenn sie im Umkreis der gefürchteten Wand aufkämen. Sie wären für immer hier gefangen, und all die Hexenkräfte aus uralter Zeit würden unentwegt in ihre Köpfe strömen.
    Für immer gefangen!
    Welcher Wahnsinn hatte ihn hierhergeführt? Was hatte ihn dazu getrieben, sich mit einem Fluch anzulegen, der so mächtig war, dass er die ganze Welt in zwei Teile gespalten hatte? Selbst wenn sein Konjunkt sich lange genug in der Luft hätte halten können, um die Barriere zu überqueren, sie wären dennoch in den Tod geflogen. Ihre Körper mochten die andere Seite erreichen, aber der Fluch würde ihnen die Seele rauben und sie an diesen Ort fesseln, und ihre Schreie würden einstimmen in den Chor der Geister, die bereits in dieser Falle festhingen. Wenn andere Menschen ihre Gegenwart spürten, würden sie entsetzt zurückweichen und die Flucht ergreifen, bevor es zu spät war.
    Auch er sollte das tun …
    »Zurück!«, keuchte er. Er musste all seine Kraft aufwenden, um das menschliche Wort zu bilden, und mehr als ein heiseres Flüstern brachte er nicht über die Lippen. Aber der Ikata hörte ihn. Ein Schauer durchlief seinen langen Körper, er drängte die Flut des Wahnsinns zurück und lauschte auf Nyukus Stimme. Nyuku sah sich schon aufschlagen, doch in letzter Sekunde bekam sich sein Konjunkt wieder unter Kontrolle, die Schwingen fanden in ihren Rhythmus zurück und wirbelten den Schnee auf. Wider Erwarten gelang es dem Ikata, den Sturz abzufangen. Jeder Flügelschlag war ein Kampf, aber er schaffte sich ein paar Meter weiter nach oben und wandte sich wieder nach Norden. Als die Barriere immer weiter hinter ihm zurückblieb, verbesserte sich seine Konzentration. Zoll für Zoll gewann er an Höhe, bis der Boden in sicherer Entfernung war. Langsam, aber stetig trug er Nyuku nach Norden, weg von der gefürchteten Wand und dem Untergang.
    Gefangen! , schrien die Stimmen in seinem Kopf. Koste von unserem Schmerz! Koste von unserer Angst! Hab teil an unserem Sterben!
    Doch die Empfindungen, die ihn eben noch fast überwältigt hätten, wurden schwächer, und nach einigen Minuten wurden auch die Stimmen leiser. Nyuku hatte die Rückenstacheln des Ikata so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Nun konnte er seinen Griff lockern. Doch in seinem Herzen loderte ein tiefer Groll, und die Spannung im Rücken des Riesengeschöpfes verriet ihm, dass sein Konjunkt diesen Groll teilte.
    Das Ding hatte sie besiegt.
    Kein Mensch. Kein Tier. Kein Feind,

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