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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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geschüttelt, man sah die Muskeln über die ganze Länge des Körpers zucken, er kämpfte darum, die Höhe zu halten, aber mit zwei zerfetzten Schwingen bestand dafür wenig Hoffnung. Mit einem letzten verzweifelten Schlag der Flügelreste zog sich die Riesenbestie ein letztes Mal nach oben, als könnte sie mit schierer Willenskraft die Schwerkraft zurückdrängen. Doch dann verließ die vorderen Flügel plötzlich die Kraft, sie öffneten sich, und eine kleine schwarze Gestalt löste sich und stürzte in die Tiefe. Hatte sich der Reiter versehentlich oder mit Absicht von seinem Tier getrennt? Hielt er es für besser, allein zur Erde zu fallen, oder hatte ihn der Wahnsinn des Barrierenfluchs so geschwächt, dass er sich nicht mehr hatte halten können? Nyuku konnte sich von dem Anblick des rettungslos dem Untergang Geweihten nicht losreißen. Wie mochte es sein, den Tod so deutlich vor Augen zu haben und ihm nicht entkommen zu können?
    Das hätte auch ich sein können.
    Der Ikata schlug so hart auf, dass die Erde erzitterte. Sein Hals war in unnatürlichem Winkel nach hinten gebogen, und die Schwingen waren unter dem Körper begraben. Wenn er noch nicht tot war, würde es sicherlich nicht mehr lange dauern. Sein Reiter hatte möglicherweise noch ein Fünkchen Leben in sich. Er war in einer schützenden, tiefen Schneewehe gelandet, befand sich aber dennoch im Einflussbereich der Wand und ihrer Hexenkräfte, und die Geister waren sicherlich bereits auf dem Weg zu ihm. Vielleicht bedauerte er schon bald, dass er nicht beim Sturz zu Tode gekommen war. Nyuku hätte niemandem ein solches Ende gewünscht, und doch durchströmte ihn beim Anblick des Sterbenden ein warmes Glücksgefühl. Bald hätte er einen Rivalen weniger.
    Sein Konjunkt wollte ganz offensichtlich möglichst dicht an den Körper des Reiters heran, um ihm die letzten Reste seiner Lebensenergie zu rauben. Gewöhnlich nährten sich die Ikati nicht von den Menschen, die ihnen dienten – das wäre eine unerträgliche Zerreißprobe für die fragile Gemeinschaft gewesen –, aber ein verwaister Reiter war Freiwild. In dieser Zeit, wenn die Sonne auf Monate hinaus zum letzten Mal über dem Horizont zu sehen war und bereits die Kälte des nahenden Winters in der Luft hing, hatte der Ikata ohnehin zu wenig Energie und brauchte jeden Funken, den er ergattern konnte. Aber der Körper des Reiters lag zu dicht an der Barriere, sie kamen nicht so ohne Weiteres an ihn heran, und schließlich musste sich der Ikata zurückziehen. Wäre er im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen, er hätte den Anflug vielleicht gewagt und versucht, dem Wahnsinn zu trotzen, mit dem die Barriere sein Gehirn überfluten würde, aber mit der aufgerissenen, blutenden Schwinge, die ihm bei jeder Bewegung Schmerzen bereitete, konnte er das Risiko nicht eingehen. Nyuku spürte bereits, wie tödliche Kälte in das Fleisch seines Konjunkten kroch, und wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit bliebe, bis auch die letzten Kräfte verbraucht wären und die Winterstarre einsetzte. Bevor es so weit kommen konnte, mussten sie in die Nähe des Sonnensteins und seiner Wärme gelangen, sonst würde die Schwinge nie wieder richtig heilen.
    Aber in diesem Winter würde es in den überfüllten Höhlen einen Reiter weniger geben, dachte Nyuku beglückt. Und im nächsten Frühjahr einen Ältesten weniger, der seine ehrgeizigen Pläne durchkreuzen konnte. Dafür konnte man doch wohl ein wenig Schmerz in Kauf nehmen, oder?
    Langsam und vorsichtig drehte sich der verwundete Ikata wieder nach Norden und trat den langen Heimflug an. Hinter seinem Rücken krochen die Schatten der Langen Nacht von den Rändern des Himmels heran, als könnten sie es kaum erwarten, die Eislande zu verschlingen und alles auszurotten, was zu schwach war, um darin zu überleben.

Kapitel 19
    »Majestät.«
    Gwynofar blickte auf. Einer der königlichen Pagen war eingetreten, ein junger Bursche, der eine übertrieben stramme Haltung einnahm, um sich seiner Botschaft würdig zu erweisen. »Ja, Petro?«
    »Der Großkönig lässt Euch zu sich bitten.«
    Mit gerunzelter Stirn legte sie ihr Buch zur Seite, stand auf und strich sich die langen Röcke glatt. Auch ihre Zofe erhob sich, um sie zu begleiten, aber Gwynofar bedeutete ihr zurückzubleiben.
    Es war ungewöhnlich, dass Salvator sie zu sich kommen ließ. Normalerweise suchte er sie auf, wenn er ihr etwas zu sagen hatte. Die Förmlichkeit dieses Ansuchens fand Gwynofar doch etwas verwirrend.
    Der

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