Die Seelenzauberin - 2
kostete den Duft des Weines, bevor sie einen kleinen Schluck nahm. »Ah, köstlich. Den müsst Ihr probieren.« Sie griff nach Petranas Glas und reichte es ihr. »Unsere Weingärten hier im Süden haben nicht ihresgleichen, wenn die Regenmenge stimmt.« Sie wartete, während ihr Gast erst nippte und dann lächelnd einen tieferen Schluck nahm. Es war ein Jahrgang, den Siderea gewöhnlich zu Verführungszwecken servieren ließ: lieblich, voll im Geschmack und dezent mit Kräutern versetzt, die den Ruf hatten, die Sinne zu reizen.
Ihre eigenen Sinne waren jedenfalls ungewöhnlich geschärft. Sie roch die Seifenreste im Haar ihrer Besucherin, den zarten Hauch von Minze, wo sie eine von Sidereas Pflanzen gestreift hatte, den feinen Schweißfilm der Nervosität auf ihrer Stirn. Noch nie hatte sie den Geruch einer anderen Person so deutlich wahrgenommen. War das ein weiteres Symptom ihrer Partnerschaft mit dem Seelenfresser? Das wäre höchst erfreulich.
Wieder ertönte das leise Knurren in ihrem Bewusstsein.
Ruhig , schickte sie einen Gedanken an ihre Konjunkta. Alles ist gut.
Sie ermunterte die Besucherin, von ihren Reisen zu erzählen, und trank ihr immer wieder zu. Die Diener brachten Platten mit Speisen: Köstlichkeiten aus seltenen Käsesorten, sendalesische Oliven, zu Blüten geformt, Räucherfisch in Streifenmustern auf Salzkekse gelegt. Alles Dinge, die durstig machten. Petranas Weinglas wurde mehrmals nachgefüllt, während sie plauderten. Natürlich. Was Siderea ihrer Schülerin heute beibringen wollte, erforderte sorgfältige Vorbereitung.
Endlich hielt sie die Zeit für gekommen. Sie wartete auf eine Pause im Gespräch, dann lachte sie leise. Ihre langen Ohrringe klirrten. »Ach, Ihr müsst mir vergeben. Da bedränge ich Euch mit Fragen und gebe Euch nicht einmal Gelegenheit, den Grund Eures Besuches zu nennen. Was bin ich doch für eine schlechte Gastgeberin!« Sie stellte ihr Weinglas beiseite und nahm auch Petrana das ihre ab. Dann fasste sie die junge Frau an der Hand und sah ihr tief in die Augen. Dabei stellte sie fest, dass die Pupillen deutlich vergrößert waren. »Sosehr ich mich über die entzückende Gesellschaft freue, wäre es doch unverzeihlich, Euch nicht wenigstens zu fragen, warum Ihr gekommen seid. Oder kann ich es gar erraten?«
Petranas Wangen färbten sich tiefrot. »Ihr sagtet bei Salvators Krönung, Ihr könntet mich … unterweisen. In Bezug auf … äh … Männer.« Sie wollte die Hände ringen, aber Siderea hielt sie fest.
»Richtig. Und ich bewundere gerade das, womit ich arbeiten darf!« Sie schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Wisst Ihr eigentlich, wie wunderschön Ihr seid, meine Liebe? Mit etwas Puder und ein paar speziellen Tricks könntet Ihr jeden Mann für Euch gewinnen – sogar einen Großkönig. Und das wäre für uns alle von Vorteil, nicht wahr?«
Sie stand auf und zog Petrana mit sich. »Kommt, zuerst will ich Euch zeigen, wie Ihr aus dem, was Euch die Natur mitgegeben hat, das Beste machen könnt. Später werden andere Lektionen folgen.«
Ohne ihre Hand loszulassen, führte sie die junge Frau durch den öffentlichen Teil ihres Palastes in ihre Privatgemächer. Auf einen versteckten Befehl von ihr eilten die Diener aus dem Raum und schlossen die reich geschnitzten Türen hinter sich. Petrana atmete schwer. Kam das vom Wein, oder hatte es andere Gründe?
Nein. Nein. Ein wortloser Gedanke, aber Sidereas Verstand übersetzte den tierischen Instinkt in menschliche Sprache. Dieser Ort gehört uns allein!
Ruhig , sendete Siderea zurück. Alles ist gut. Gib acht.
Sie führte Petrana zu ihrem Schminktisch und setzte sie vor den Spiegel. Den hatte ihr vor langer Zeit ein Magister geschenkt, er lieferte ein so vollkommenes Abbild, wie poliertes Metall es niemals konnte. Petrana war an solchen Luxus offensichtlich nicht gewöhnt, denn ihr stockte der Atem, als sie ihr Bild vor sich sah, und sie fasste sich mit der Hand an die Wange, wie um zu prüfen, ob das wirklich sie selbst war.
»Seht Ihr? Aus Euch lässt sich im Handumdrehen eine Menge machen, meine Liebe.« Siderea stellte sich so dicht hinter die junge Frau, dass sie deren Wärme auf der Haut spürte. Sie fasste spielerisch mit den Fingern in die strenge Frisur und löste ein paar Strähnen. »Darf ich es herunterlassen?«
Petrana nickte sichtlich verwirrt.
Langsam, wohl wissend, dass jede ihrer Bewegungen im Spiegel verfolgt wurde, zog Siderea die Nadeln aus dem Haar ihres Gastes. Petranas dichte,
Weitere Kostenlose Bücher