Die Seelenzauberin - 2
jemals ihrer magischen Gemeinschaft angehören könne; zu diesem Thema hatte sie so viele Argumente gehört, dass sie ein ganzes Buch gefüllt hätten. Frauen seien von Natur aus zu schwach, zu wankelmütig oder auch einfach nicht männlich genug, um die »wahre Macht« zu beherrschen. Aber daraus folgte doch nicht, dass sie sonst nichts für sie tun konnten. Hatten sie ihr nicht weit über die normalen Grenzen hinaus ihre Jugend bewahrt? Gewiss hatten sie noch andere Tricks in ihren schwarzen Ärmeln, mit denen sie ihr noch etwas mehr Zeit erkaufen könnten.
In Wahrheit hatten sie nur beschlossen, sie sterben zu lassen. Und keiner von ihnen besaß so viel Anstand, dass er das zugegeben hätte. Keiner brachte auch nur einen Funken ehrlichen Mitgefühls für sie auf. Bei den Göttern, sie hasste sie alle!
Doch jetzt war ein gewinnendes Lächeln angebracht, und so setzte sie pflichtbewusst die entsprechende Miene auf und reichte der jungen Frau, die sie angesprochen hatte, die Hand. Ein hübsches Ding, das einen perfekten Knicks machte und ihre Hand nur kurz berührte, als wäre sie nicht ganz sicher, wie formell es zugehen sollte. Entzückend aufrichtig.
»Bitte verzeiht die Störung«, sagte sie. Ihre Wangen färbten sich leicht zu einem reizenden Rosa, doch ihr Blick war fest und ruhig. »Ich hatte gehofft, Ihr würdet kurz Zeit finden, um mir ein paar Fragen zu beantworten. Ich will nicht aufdringlich sein …« Ihr Blick ging in die Runde, einige von den Männern zwinkerten ihr anzüglich zu oder hoben grüßend die Gläser.
Siderea verstand sofort. Frauensache. Zum ersten Mal seit vielen Stunden breitete sich ein echtes Lächeln über ihre Züge. »Aber gewiss, meine Liebe. Kommt mit. Die Herren werden uns sicher entschuldigen?« Sie strahlte die Pfauen an, die ihr den Hof machten, und dirigierte die junge Frau in eine ruhigere Ecke des Zelts. »Bevor wir fortfahren, Ihr heißt …?«
»Petrana Bellisi, Majestät. Aus dem Haus Bellisi.«
Bellisi. Natürlich. Ihr Name stand auf der Liste der Frauen, die als Salvators künftige Gemahlinnen infrage kamen. Herzog Bellisi regierte eines der kleineren Freien Lande, hatte aber durch geschickte Bündnis- und Heiratspolitik feste Beziehungen zu allen anderen geknüpft. Das bedeutete, dass seine älteste Tochter eine glänzende politische Mitgift mit in die Ehe brächte. Wenn Salvator die Freien Lande durch Allianzen anstatt durch Krieg erobern wollte, wären eheliche Bande zum Haus Bellisi ein ausgezeichneter erster Schritt dazu.
Neugierig geworden, begutachtete Siderea die Vorzüge der jungen Frau. Sie war bildhübsch, mit jener rosigen Pfirsichhaut, von der die Männer so gerne in Gedichten schwärmten. Für den natürlichen Rosaschimmer auf ihren Lippen und Wangen hätten andere Frauen ein Vermögen bezahlt. Die Figur war durchaus vielversprechend, versteckte sich aber im Moment unter einem schlichten dunkelbraunen Wollkleid, das nicht sehr vorteilhaft war. Viel zu zurückhaltend für einen solchen Anlass, und die Farbe tat nichts, um ihren Teint zu betonen. Bestimmt hatte es ein Mann für sie ausgesucht, dachte Siderea. Keine Frau, die Augen im Kopf hatte, hätte jemals eine so ungünstige Farbe gewählt.
Die Farbe einer Mönchskutte , ging es ihr durch den Sinn, und sie schüttelte fassungslos den Kopf. Männer hatten wirklich keine Ahnung von … nun, eigentlich von gar nichts.
Froh darüber, etwas gefunden zu haben, das sie von ihren düsteren Grübeleien ablenkte, lotste sie das Mädchen zu zwei freien Stühlen. »Was kann ich denn für Euch tun, meine Liebe?«
Die Kleine setzte sich vorsichtig und ordnete die Falten ihres Kleides. Dann strich sie noch einmal über den Stoff, um den Augenblick der Wahrheit hinauszuschieben. Sie wusste ganz offensichtlich nicht, wie sie anfangen sollte. »Ich brauche einen guten Rat«, sagte sie endlich. »Und man empfahl mir, mich an Euch zu wenden.«
Siderea zeigte ihr strahlendstes Lächeln, um dem Mädchen die Befangenheit zu nehmen. »Wer würde sich da nicht geschmeichelt fühlen? Aber Ihr müsst mir schon sagen, wie ich Euch helfen kann.«
»Mein Vater möchte mich nach der Krönung König Salvator vorstellen. Er will, dass ich mein Bestes tue, um einen guten Eindruck zu machen, auch wenn mir dafür nicht viel Zeit zur Verfügung steht.«
»Richtig.« Siderea nickte. »Jede junge Frau, die sich gern als Großkönigin sähe, wird genau das Gleiche tun. Und zwar die ganze Woche lang. Ich könnte mir denken, dass
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