Die Seelenzauberin
ersten Auswirkungen des Heiligen Zorns auf ihre Zauberkräfte, und das war bedenklich, da sie für die Jagd auf Magie angewiesen war. Eines Abends beschloss sie, die Probe aufs Exempel zu machen und sich einfach etwas Essbares zu beschwören. Erst nach mehr als einer Stunde hatte sie ihre Kräfte ausreichend gebündelt, und was schließlich herauskam, war ein Laib Brot, der von Maden wimmelte, und eine halbe Kugel Käse, die so abscheulich roch, dass sie sich nicht überwinden konnte, davon zu kosten. Lieber ertrug sie ihren knurrenden Magen.
Kein Wunder, dass die Magister diese Region hassten , dachte sie. Hoffentlich erreichten die Hüter, denen sie folgte, bald ein Gebiet, wo mit Zauberei mehr auszurichten war; sonst müsste sie ihren derzeitigen Kurs für eine Weile verlassen, um auf Nahrungssuche zu gehen.
Natürlich könntest du auch mit den Hütern sprechen , sagte sie sich. Die haben genügend Vorräte für drei im Gepäck.
Doch dazu war sie noch nicht bereit.
Sie unternahm allerdings den Versuch, die beiden Reisenden mit einem Zauber ein wenig zu beruhigen. Inzwischen schauten sie regelmäßig über die Schulter, und manchmal wanderte ihr Blick auch zum wolkenverhangenen Himmel empor, als rechneten sie von dort mit einem Überfall. Was Kamala von ihren Gesprächen aufschnappte, ließ den Schluss zu, dass die Nähe des Heiligen Zorns sie unnatürlich schreckhaft machte. Zu Hause hätte sich das leicht beheben lassen, aber hier brauchte sie mehr als eine Stunde für den Zauber zur Beschwichtigung ihrer Ängste. Aber es musste sein. Sie wollte nicht, dass einer der beiden den Habicht bemerkte, der ihnen Tag für Tag folgte, oder gar noch erriet, was er in Wirklichkeit war. Noch nicht. Noch war sie nicht so weit.
Niemand beobachtet euch , flüsterte ihnen der Zauber ins Ohr. Niemand verfolgt euch.
Das schien fürs Erste zu genügen.
»Ich war erstaunt, dass du nicht an der Krönung teilnehmen wolltest«, sagte Namanti, als sie ihre Packtaschen vom Sattel löste.
Rhys hatte ein Feuer angefacht, jetzt blickte er verdutzt auf. »Wie in aller Welt kommst du denn darauf?«
»Königin Gwynofar ist doch deine Halbschwester?«
Er stocherte mit einem Stöckchen im Reisig herum, damit die Luft frei zirkulieren konnte. Winzige Flämmchen leckten an der Rinde und den Ästen. »Gwynofar wird ja nicht gekrönt«, erklärte er. »Und für die Zeremonie werde ich ganz sicherlich nicht gebraucht.«
»Gwynofar nicht, aber ihr Sohn. Es ist auch für sie ein wichtiger Tag.« Sie stellte die Satteltaschen neben das Feuer. »Die Pferde sind versorgt«, teilte sie ihm mit. »Ragnar findet es schrecklich hier, aber noch frisst er.« Rhys nickte. Namantis Pferd war leicht reizbar und offensichtlich sehr unzufrieden mit dieser Reise. Rhys hatte gehofft, Namanti würde sich für die letzte Etappe vor dem Heiligen Zorn ein leichtfüßigeres Pferd wählen, aber vorerst wollte sie offenbar bei Ragnar bleiben. Er sollte also besser nicht darauf hoffen, dass der verwünschte Klepper an irgendeiner Klippe ins Leere trat. Jedenfalls nicht mit Namanti im Sattel.
Mit untergeschlagenen Beinen setzte Namanti sich neben ihn auf den Boden und packte die Vorräte für die Abendmahlzeit aus: Salzfleisch, Hartkäse, ein wenig Trockenobst und zwei harte trockene Kekse aus Skandir, die angeblich Kraft geben sollten. Die Kekse waren sehr gewöhnungsbedürftig, aber die Skandir-Krieger waren in allen Protektoraten für ihre Tapferkeit berühmt, und sie hatten die grässlichen Dinger immer bei sich, also griff Rhys jedes Mal zu, wenn sie ihm das Zeug anbot. Natürlich spülte er mit einem ordentlichen Schluck Bier nach. Oder auch mit zweien.
»Mein Dienst hier hat Vorrang«, sagte er und schnitt sich mit seinem Jagdmesser ein Stück Käse ab. »Ich musste die Seelenfresser-Proben zu Meister Favias bringen und den Hütern berichten, was ich erlebt hatte. Und nun müssen wir nach den Speeren sehen. Das ist viel wichtiger, als an einer Zeremonie teilzunehmen, die mich im Grunde nichts angeht.« Nun schlugen die Flammen an den Seiten des Holzstapels hoch. Er setzte sich zufrieden auf die Fersen zurück und blickte ins Feuer. »Gwynofar ist Lyra , sie wird das verstehen.«
Namanti nickte, holte auch für sich einen Lederschlauch mit Bier und zog den Stöpsel heraus. »Jetzt möchte ich noch wissen, wieso dich die Erzprotektorin an ihrem Hof duldet. Ich muss gestehen, die Frage hat mich immer schon beschäftigt.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Du
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