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Die Seelenzauberin

Die Seelenzauberin

Titel: Die Seelenzauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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illegitimer Halbonkel, der im Palast herumgeistert, ist wahrhaftig das Letzte, was Salvator momentan braucht.«
    Wie vernünftig sich das alles anhörte, dachte er. Wenn man es so erklärte, wurde der Druck auf seiner Seele fast ein wenig leichter.
    Sie sagte nur: »Entschuldige«, dann schwieg sie.
    Dass sie ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte, merkte er erst später. Es war keine intime, nur eine kameradschaftliche Geste. Die Geste eines Mannes. Er schüttelte die Hand ab.
    »Ich muss mal pissen«, sagte er.
    Sie antwortete nicht. Er verließ das Lager und ging durch die Kiefern zu einem kleinen Bach, der leise plätschernd über die Felsen floss. Dort stand er eine Weile mit halb geschlossenen Augen und ließ die Düfte und Geräusche des Waldes auf sich wirken. Er bemühte sich, nicht an das Ereignis zu denken, das Hunderte von Meilen weiter südlich stattfand, und sich nicht vorzustellen, wie es hätte sein können, daran teilzunehmen.
    Lass gut sein , sagte er sich. Bald wirst du dem Heiligen Zorn so nahe sein, dass du dich nach den zivilisierten Peinlichkeiten am Hof der edlen Evaine zurücksehnen wirst.

    Kamala schreckte jäh aus dem Schlaf.
    Zuerst dachte sie, ein Tier hätte in der Nähe nach Futter gesucht und sie geweckt. Sie hatte mit einem einfachen Zauber verhindert, dass heimisches Wild – von dem es in diesem verfluchten Landstrich ohnehin nur wenig gab – während der Nacht über sie stolperte, aber das hieß nicht, dass nicht irgendein kümmerliches Exemplar außerhalb des Bannkreises genügend Lärm machte, um ihren Schlaf zu stören. Sie lag zunächst ganz still und versuchte herauszufinden, ob sie tatsächlich davon aufgewacht war. Aber was immer sie geweckt hatte, jetzt verhielt es sich still. Was aus seiner Sicht nur vernünftig ist , dachte sie. Besonders, wenn Wild so rar war wie hier. Von der gestrigen Feldmaus war sie nicht satt geworden.
    Diesmal war es kein Geräusch. Mit ihren menschlichen Sinnen allein hätte sie nichts wahrnehmen können. Doch es gab keinen Zweifel, da draußen schlich etwas herum.
    Sie lag wie erstarrt, wagte nicht einmal zu atmen, strengte alle Sinne aufs Äußerste an. Aber nichts regte sich. Und nicht nur das – sie hörte gar nichts: keinen Wind, der durch die Bäume strich, kein Insektengekrabbel auf dem Boden, nicht einmal den Bach, der etwas weiter unten am Hang über die Steine plätscherte. Nichts.
    Eiskalt strich ihr die Angst über den Rücken. Heimlich und leise sammelte sie ihr Athra, stellte sich aber so, als wäre sie noch halb im Schlaf. Was immer die natürlichen Geräusche der Berglandschaft hatte verstummen lassen, sollte glauben, sie sei ahnungslos.
    Und dann knackte ein Ast.
    Sie setzte sich rasch auf und sah gerade noch im Mondschein, wie eine Gestalt in schwarzer Robe wieder verschwand. Der Stoff war so dunkel, dass er das Licht verschluckte, und damit war alles klar. Es war ein Magister. Ganz kurz nur trafen sich ihre Blicke – genau so lange, dass sie den Hass in seinen Augen erkennen konnte –, dann legte sich die Nacht um ihn, und sie sah ihn gar nicht mehr. Aber er war noch da. O ja, sie war ganz sicher. Für ihre menschlichen Sinne war er unauffindbar, aber seit sie vollends wach war, erspürte sie mit ihrem Zweiten Gesicht, was er getan hatte. Während sie schlief, hatte er ihren Lagerplatz mit Bannsprüchen umgeben, Schicht um Schicht, so klebrig wie das Netz einer Riesenspinne. Die magischen Fäden flackerten unruhig, als wären sie aus einer kranken Macht gewoben – das lag sicherlich an der Nähe des Heiligen Zorns. In diesem Fall hätte ihr der Fluch der Götter womöglich das Leben gerettet, denn sie erkannte in dem Netzwerk, das sie umgab, ganz deutlich die bösen Absichten seines Urhebers. Wäre die Konstruktion perfekt gewesen, sie hätte weitergeschlafen, bis es für jede Rettung zu spät gewesen wäre.
    Eilig versuchte sie einen Beförderungszauber, bündelte ihr Athra und richtete es zur Orientierung auf eine Stelle im Netz, die ihr schwächer erschien. Aber das Athra war irgendwie schlüpfrig, es ließ sich nicht lenken. War auch das eine Auswirkung des Zorns? Oder hemmte der fremde Bann ihre eigene Magie?
    Nun begannen sich auf allen Seiten Schatten zu regen, und sie erkannte in jähem Schrecken, dass nicht nur ein Magister präsent war – es waren viele! Offenbar hatte sich die Nachricht von ihrem Verbrechen herumgesprochen. Wie man sie bis hierher verfolgt hatte, wusste sie nicht, aber eines war gewiss:

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