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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Mateo
verschwand von der Bildfläche.

Das letzte Lebewohl
    Sir Piers Blachford stützte sich auf den Behelfstisch, während die Geschütze oben noch immer donnerten und das ganze Schiff erbebte. Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht und sagte: »Nehmt diesen Mann fort, er ist tot.«
    Die Gehilfen des Chirurgen ergriffen den nackten Leichnam und zerrten ihn in den Schatten des Orlopdecks. Blachford richtete sich auf und spürte die schweren Decksbalken dicht über seinem Kopf. Wenn es wirklich eine Hölle gab, dachte er, mußte sie wie dies hier aussehen.
    Das Licht der über dem Tisch schwingenden Laterne machte alles noch schlimmer, sofern das überhaupt möglich war. Sie warf Schatten auf die gewölbte Bordwand und legte die zusammengekauerten oder regungslosen Verwundeten bloß, von denen immer mehr ins unterste Deck des Schiffes gebracht wurden.
    Sir Piers blickte seinen Kollegen an, George Minchin, den eigentlichen Chirurg der
Hyperion,
einen grobgesichtigen Mann mit spärlich sprießenden grauen Haaren. Seine Augen hatten rote Ränder, und das nicht nur vor Müdigkeit. Ein großer Krug Rum stand neben dem Tisch, um den Todeskampf oder die wachen Momente der jammernden Verwundeten zu lindern. Sie lagen auf den Tischen, entblößt und gequälten Opfern gleich, bis das Werk vollbracht war. Minchin aber schien mehr als seinen Anteil zu trinken.
    Blackford sah die fürchterlichsten Verwundungen: Männer ohne Glieder, Gesicht und Leib verbrannt oder durch Splitter zerfetzt. Der ganze Raum, normalerweise Unterkunft der Fähnriche, wo sie schliefen, aßen oder aus Handbüchern im Halbdunkel ihrer Talglichter lernten, war mit Leidenden überfüllt. Es stank nach Blut, Erbrochenem und Schweiß. Jede dröhnende Breitseite, jeder schauderhafte Einschlag einer Kugel verursachte Geschrei und Stöhnen der auf Behandlung Wartenden.
    Blachford konnte nur ahnen, was sich oben, im hellen Tageslicht, abspielte. Nach hier unten, ins Orlop, verirrte sich nie ein Strahl Sonne. Unterhalb der Wasserlinie gelegen, war es der sicherste Platz für das grausige Werk. Dennoch empörte es ihn.
    Er deutete auf die gräßlichen Behälter unter dem Tisch, die mit amputierten Gliedmaßen gefüllt waren: eine brutale Warnung für die nächsten Verwundeten, was ihnen blühte. Das erhöhte ihre Marter so sehr, daß ihnen der Tod wie eine Erlösung vorkommen mußte. »Tragt das fort.«
    Der Senior-Chirurg lauschte dem Hämmern im schmalen Zimmermannsgang, der unterhalb der Wasserlinie um die Bordwand lief wie ein enger Steg zwischen den Schiffsabteilungen und der Außenhaut. Von diesem Gang aus dichteten der Zimmermann und seine Gehilfen Einschußlöcher und Leckagen ab, die der Feind wieder und wieder in die Bordwand drosch.
    Unmittelbar über ihren Köpfen gab es ein langgezogenes Gerümpel, und Blachford stierte an den Balken empor, als erwarte er, eingeschlossen zu werden. Eine ängstliche Stimme rief aus den Schatten: »Was war das, Toby?«
    Irgendeiner antwortete: »Sie fahren die Unterbatterie ein, das war’s.«
    Blachford fragte schnell: »Warum tun sie das?«
    Minchin schluckte eine Tasse voll Rum und wischte sich den Mund mit der blutigen Faust. »Die machen Schluß! Wir liegen Seite an Seite mit einem dieser Saukerle, und sie brauchen an Deck jede Teerjacke zur Verteidigung.« Heiser schrie er: »Der nächste, Donovan!«
    Dann beäugte er Blachford mit etwas wie Geringschätzung.
    »Das hier ist wohl nicht ganz das, was Sie gewohnt sind? Keine geschmackvollen Operationsräume mit Reihen unwissender Studenten, die Ihnen jedes Wort von den Lippen saugen.« Er blinzelte mit seinen geröteten Augen, als Rauch durch das Deck zog. »Ich hoffe nur, daß Sie heute etwas Nützliches lernen, Sir Piers: nämlich, was wir im Namen der Medizin zu erdulden haben.«
    Ein Schiffsjunge sagte: »Der hier ist ein Offizier, Sir.«
    Blachford beugte sich über den Tisch, als dem Leutnant das zerrissene Hemd abgestreift und er flach hingelegt wurde. Es war der Zweite, Lovering, den ein Spanier niedergeschossen hatte. Blachford untersuchte die schreckliche Wunde in seinem Arm. Unter der schaukelnden Laterne sah das Blut schwarz aus. Wo die Kugel plattgedrückt war, nachdem sie den Knochen getroffen hatte, war das Fleisch zerfetzt. Lovering starrte ihn an, die Augen glasig vor Schmerz. »O Gott … Ist es schlimm?«
    Minchin berührte seine nackte Schulter. Sie war kalt und feucht.
    »Tut mir leid, Ralph.« Er blickte Blachford an. »Der Arm muß

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