Die Seemannsbraut
verstummte. Er glaubte, daß der Erste Leutnant sie beobachtete, daß ein Oberst mit halb erhobenem Glas innehielt, als lausche er ihren Worten. Für ihn war es wie eine Verschwörung.
»Liebe?«
Sie nickte langsam, ihre Augen ließen nicht von ihm ab. »Du brauchst sie wie die Wüste den Regen.«
Er wollte sich ihrem Blick entziehen, aber sie schien ihn zu hypnotisieren, als sie im gleichen Ton gelassen fortfuhr: »Ich habe dich damals gewollt, aber am Ende beinahe gehaßt. Beinahe. Ich habe während all der Jahre dein Leben und deine Laufbahn verfolgt – zwei ganz verschiedene Dinge. Ich hätte alles hingenommen, was du mir geboten hättest, denn du warst der einzige Mann, den ich liebte, ohne nach Ehe und Sicherheit zu fragen.«
Sie spielte leicht mit dem Fächer. »Stattdessen nahmst du eine andere. Eine, von der du glaubtest, sie wäre ein vollwertiger Ersatz für …« Das hatte gesessen. »Ich wußte es!«
Bolitho erwiderte schwach: »Ich habe oft an dich gedacht.«
Sie lächelte, was sie nur trauriger aussehen ließ. »Wirklich?«
Er wandte den Kopf, um sie besser sehen zu können. Andere mochten meinen, er blicke sie direkt an, aber sein linkes Auge wurde durch den flackernden Glanz beeinträchtigt.
»Deine letzte Schlacht – wir hörten vor einem Monat davon«, sagte sie.
»Wußtest du, daß ich herkommen würde?«
Sie verneinte. »Er erzählt mir wenig von seinen Regierungsgeschäften.«
Mit einem vertraulichen Lächeln schaute sie zum anderen Ende der Tafel. Bolitho fragte sich, weshalb dieses Einvernehmen mit ihrem Gatten ihm so weh tat, als sie sich wieder an ihn wandte.
»Deine Wunden, sind sie …« Er fuhr zusammen. »Ich half dir einmal, erinnerst du dich nicht?«
Bolitho senkte die Lider. Es zog ihm wie ein Alptraum durch den Kopf: seine damalige Verwundung, der Rückfall in das Fieber, das ihn fast umbrachte. Ihre bleiche Nacktheit, als sie die Kleider fallen gelassen und sich an seinen keuchenden, zitternden Körper gepreßt hatte, während sie unhörbare Worte flüsterte und ihn an ihre Brust nahm, um seine Qualen zu lindern.
»Ich werde es nie vergessen.«
Sie beobachtete ihn still. Ihre Blicke wanderten über seinen geneigten Kopf und seine baumelnde Haarsträhne, über seine ernsten, sonnenverbrannten Gesichtszüge und die Lider, die seine Augen verbargen, so daß er nicht den Schmerz und die Sehnsucht in ihrem Blick sehen konnte.
Nebenan erläuterte Major Sebright Adams von den Seesoldaten der Hyperion seine Erlebnisse vor Kopenhagen und die blutigen Folgen der Schlacht. Parris, der Erste Leutnant, hörte ihm auf einen Ellenbogen gestützt scheinbar zu, neigte sich aber über die junge Frau eines Hafenbeamten. Sein Arm drückte gegen ihre Schulter, doch sie machte keinen Versuch, ihn abzuschütteln. Auch die anderen Offiziere schienen sich augenblicklich frei von jeder Verantwortung zu fühlen.
Bolitho spürte mehr denn je seine plötzliche Isolierung. Es drängte ihn, Kate seine Gedanken und Ängste mitzuteilen, gleichzeitig verabscheute er seine Schwäche.
So sagte er nur: »Es war ein harter Kampf. Wir verloren viele gute Männer.«
»Und du, Richard? Konntest du wirklich noch mehr verlieren als das, was du schon aufgegeben hattest?«
Er erwiderte heftig: »Laß gut sein, Catherine, es ist vorbei!« Und schärfer: »Es muß vorbei sein!«
Eine Seitentür ging auf, und mehrere Lakaien schwärmten aus, aber diesmal ohne neue Speisen. Es wurde Zeit für die Damen, sich zurückzuziehen und die Herren bei Portwein und Brandy allein zu lassen. Bolitho dachte an Allday, der mit seiner Crew in der Barkasse auf ihn warten würde. Jeder Unteroffizier hätte dafür genügt, aber er kannte Allday. Dieser wäre jetzt in seinem Element gewesen. Bolitho wußte keinen, der imstande war, seinen Bootssteurer unter den Tisch zu trinken.
Somervells Stimme drang durch die angeheiterten Reihen, er hatte keine Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen.
»Ich hörte, daß Sie Commander Price besucht haben, Sir Richard?«
Bolitho fühlte, daß die Frau an seiner Seite den Atem anhielt, als ob sie in der beiläufigen Frage eine Falle wittere. War ihre Schuld so offenbar?
Glassport murmelte: »Der ist nicht mehr lange Commander, möchte ich wetten.« Einige Gäste lachten unterdrückt.
Ein schwarzer Lakai betrat den Salon, streifte Somervell mit einem flüchtigen Blick, eilte zu Bolithos Stuhl und präsentierte ihm auf silbernem Tablett ein Kuvert. Bolitho nahm es und hoffte im
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