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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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stillen, daß ihn sein Auge jetzt nicht im Stich lassen möge.
    Glassport hub wieder an zu lamentieren. »Meine einzige Fregatte, bei Gott! Ich möchte wirklich wissen …«
    Somervell unterbrach ihn unsanft. »Was gibt es, Sir Richard? Betrifft es uns?«
    Bolitho faltete das Papier zusammen und schaute den Schwarzen an. Dessen Gesicht zeigte Mitgefühl, als ob er Bescheid wüßte.
    »Kommodore Glassport, das Schauspiel bleibt Ihnen erspart, einen tapferen Offizier in Schmach und Schande untergehen zu sehen.« Seine Worte waren klar und hart. Obwohl nur an einen Mann gerichtet, ergriffen sie die ganze Tafel, der es den Atem verschlug. »Commander Price ist tot, er hat sich erhängt.« Bolitho konnte sich nicht versagen hinzuzufügen: »Sind Sie nun zufrieden?«
    Mit einem Ruck erhob sich Somervell. »Ich denke, dies ist der richtige Augenblick für die Damen, sich zurückzuziehen.« Es war keine Geste der Höflichkeit, eher schon ein Befehl.
    Bolitho sah Catherine an. In ihren Augen las er das Verlangen, sich mit ihm auszusprechen. Statt dessen sagte sie nur: »Wir sehen uns wieder.« Und als er sich aus einer schnellen Verbeugung aufrichtete: »Bald.«
    Mit raschelnder Seide tauchte sie in den Schatten.
    Bolitho setzte sich wieder. Man hatte ihm ein frisches Glas gebracht. Prices Tod war nicht seine Schuld, nicht einmal die des gedankenlosen Glassport. Was hätte er machen sollen?
    Es konnte jedem von ihnen zustoßen. Insgeheim verglich er den jungen Adam mit dem armen Teufel Price, wie er allein vor dem grimmigen Kriegsgericht saß und die Spitze des Degens auf dem grünen Tisch gegen sich gerichtet sah.
    Merkwürdig, daß die Nachricht vom Selbstmord Prices aus St. John’s unmittelbar zur
Hyperion
gelangt war. Haven mußte sie gelesen und erwogen haben, bevor er sie ihm nachsandte. Wahrscheinlich durch einen Fähnrich, der sie wiederum einem Lakaien übergab. Es hätte Haven nicht geschadet, wenn er sie persönlich überbracht hätte.
    Überrascht merkte Bolitho, daß die anderen bereits aufgestanden waren und ihm ihre Gläser entgegenhielten. Glassport rief heiser: »Auf unseren Vizeadmiral, Sir Richard Bolitho! Möge er uns neue Siege bringen!«
    Selbst sein beträchtlicher Rausch vermochte nicht die Beschämung in seiner Stimme zu verbergen.
    Bolitho stand ebenfalls auf und verbeugte sich dankend. Er bemerkte, daß die weißgekleidete Gestalt am anderen Ende der Tafel ihr Glas nicht anrührte, und fühlte sein Blut zornig aufwallen. Wie in dem Augenblick, da die Toppsegel des Feindes dessen Angriffsabsicht enthüllten, oder wie bei einem Duell im Morgengrauen. Dann dachte er an ihre Augen und an ihr letztes Wort: bald!
    Er griff zum Glas. So sei es denn, dachte er.
    Die sechs Tage nach Ankunft der
Hyperion
in English Harbour waren hektisch und arbeitsreich, zumindest für Bolitho.
    Jeden Morgen, nachdem das Wachboot die Depeschen oder Briefe vom Land abgeliefert hatte, kletterte Bolitho in seine Barkasse und widmete sich mit einem verwirrten Leutnant an seiner Seite den Angelegenheiten der ihm unterstehenden Schiffe und Seeleute. Auf den ersten Blick war es keine beeindruckende Streitkraft. Selbst wenn man die drei kleinen Schiffe mit einbezog, die zur Zeit als Aufklärer unterwegs waren, schien die Flottille für die vorliegenden Aufgaben einfach ungeeignet. Bolitho wußte, daß die in seiner Stahlkassette eingeschlossenen und sehr allgemein gehaltenen Befehle Ihrer Lordschaften alle Risiken, alle Verantwortung seinem Urteil überließen.
    Das Gros des Antigua-Geschwaders, aus sechs Linienschiffen bestehend, war Berichten zufolge weit im Nordwesten bei den Bahamas verstreut. Wahrscheinlich sondierten sie dort feindliche Streitkräfte oder demonstrierten Macht, um eventuelle Blockadebrecher abzuschrecken. Bolitho kannte ihren Admiral, Sir Peter Folliot, einen ruhigen, würdevollen Offizier, dem seine schlechte Gesundheit zu schaffen machte. Das waren nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Angriff gegen die Franzosen oder deren spanische Verbündete.
    Am sechsten Morgen, während Bolitho über das kaum gekräuselte Wasser zum letzten der ihm unterstellten Schiffe gerudert wurde, überdachte er die Ergebnisse seiner Besichtigungen. Abgesehen von der
Obdurate,
einem älteren Vierundsiebziger, wegen Sturmschäden noch in der Werft, verfügte er über insgesamt fünf Briggs, eine Korvette und über
Thor,
ein Mörserschiff, das er sich bis zuletzt vorbehalten hatte. Er hätte sich jeden Kommandanten zum

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