Die Seemannsbraut
jetzt vertragen.«
Bolitho war einverstanden. »Signalisieren Sie der
Obdurate,
sie soll sich uns anpassen. Ich möchte nicht, daß wir auseinandergeraten.«
Kapitän Thynne hatte in der vergangenen Nacht zwei Mann über Bord verloren und bei backgebraßtem Kreuzmarssegel ein Boot ausgesetzt. Aber keiner der Unglücklichen wurde gefunden. Entweder waren sie von ganz oben gefallen und hatten beim Aufschlagen aufs Wasser die Besinnung verloren, oder aber sie konnten wie die meisten Seeleute nicht schwimmen. Bolitho wollte den Zwischenfall nicht mehr erwähnen.
Doch Haven schnaubte übellaunig: »Ich setze das Signal sofort, Sir Richard. Thynne sollte seine Leute wirklich besser drillen, dann muß er auch nicht trödeln, wenn irgendein Narr durch eigene Unvorsichtigkeit über Bord geht.« Er winkte dem Leutnant der Wache. »Vorwärts! Aufentern und Bramsegel losmachen, Mr. Mansforth.« Dann befahl er dem Fähnrich: »Signal an alle: mehr Segel setzen.«
Er schaute sich suchend um. Plötzlich schnellte sein Zeigefinger vor. »Der Mann da! Was, zum Teufel, untersteht er sich?« geiferte er.
Der Betreffende war dabei, sein nasses Hemd auszuwringen. Er stand vor Schreck stocksteif, während andere sich seitwärts verdrückten, damit sie nicht Havens Zorn auf sich zogen.
In diesem Moment rief ein Bootsmannsmaat: »Das geht in Ordnung, Sir, ich hab’s ihm erlaubt.« Zornig wandte sich Haven ab.
Aber Bolitho hatte die Dankbarkeit in den Augen des Matrosen gesehen und ahnte, daß der Bootsmannsmaat nichts dergleichen erlaubt hatte. War die Crew Havens schon so überdrüssig, daß sich sogar die Unteroffiziere gegen ihn stellten?
»Kapitän Haven!« rief er.
Havens Ärger schien verraucht. Es war widerwärtig zu sehen, wie schnell er in Wut geriet und sich vor dem Admiral wieder zu beherrschen wußte.
»Auf ein Wort, wenn’s beliebt.« Bolitho fuhr fort: »Dieses Schiff ist unter Ihrem Befehl oder unter meiner Flagge noch nie im Gefecht gewesen. Ich lege Ihnen nahe, daran zu denken, wenn Sie demnächst wieder einen Mann beschimpfen, der seit zwei Tagen und Nächten ununterbrochen schuftet.« Es fiel ihm schwer, ruhig zu sprechen. »Wenn die Zeit kommt, alle Mann auf Gefechtstation zu rufen, werden Sie unbedingte Loyalität brauchen.«
Haven stotterte: »Ich kenne diese Unruhestifter …«
»Hören Sie zu, Kapitän Haven. Alle diese Männer, gute und schlechte, Geduldige und Unruhestifter, wird man zum Kampf aufrufen. Habe ich mich klar ausgedrückt? Loyalität aber will verdient werden. Einem Kommandanten mit Ihrer Erfahrung sollte man das nicht erst sagen müssen. Ebensowenig sollten Sie mich zwingen, Sie daran zu erinnern, daß ich keine sinnlosen Brutalitäten dulde.«
Haven starrte ihn an, seine Augen glühten vor Entrüstung. »Ich habe keine Unterstützung, Sir Richard! Einige in meiner Offiziersmesse sind so grün wie Gras, und mein Erster, Mr. Parris, ist mehr damit beschäftigt, sich selbst in günstiges Licht zu setzen, als die Besatzung zu drillen. Bei Gott, ich könnte Ihnen Dinge über ihn erzählen …«
Bolitho fuhr auf. »Schluß damit! Sie sind mein Flaggkapitän und haben
meine
Unterstützung.« Er ließ die Worte wirken, ehe er fortfuhr: »Ich weiß, was Sie quält, aber wenn Sie mein Vertrauen noch einmal mißbrauchen, schicke ich Sie mit dem nächsten Schiff nach England!«
In diesem Augenblick erschien Parris an Deck. Während die Toppgasten wieder einmal herausgepfiffen wurden, um mehr Segel zu setzen, schaute er erst den Admiral an und dann seinen Kommandanten. Haven drückte seinen Hut fester und sagte nur: »Machen Sie weiter, Mr. Parris.«
Parris schien überrascht, daß es keinen Anpfiff gab.
Die Seeleute enterten behende wie Affen auf, und Haven sagte steif: »Auch ich habe meine Maßstäbe, Sir Richard.«
Doch Bolitho entließ ihn wortlos und wandte sich wieder der fernen Insel zu. Allday stand wenige Schritte entfernt, er schien ihn neuerdings nicht mehr allein zu lassen. Jetzt meinte er: »Diese Inselschoner sind kräftige Fahrzeuge, Sir Richard.«
Bolitho klopfte ihm auf den Arm. »Du kannst wohl Gedanken lesen, alter Freund.« Zwei Möwen schwangen sich über die Schaumkronen, Sonnenlicht fiel durch ihre gespreizten Flügel. Wie damals durch Catherines Fächer. Bolitho sagte: »Ich komme mir so machtlos vor.« Dann besann er sich. »Entschuldige, ich sollte meine Sorgen nicht auf dich abwälzen.«
Mit schmalen Augen beobachtete Allday die langen Schaumkronen. Es war wie das
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