Die Seevölker
wenn auch nicht
unbeeinflußt – die Invasion der Hyksos, der Libyer, der Äthiopier, der
Assyrer und der Perser überlebt hatte, war jetzt Einflüssen ausgesetzt,
die ihrem Geist und Wesen nach noch nicht einmal orientalisch waren;
während in der Vergangenheit griechische Söldner sich in Ägypten
niedergelassen hatten, Kaufleute hierher gereist und Philosophen ge-
kommen waren – so Solon, Pythagoras, Herodot und Platon –, um ihr
Wissen zu vervollkommnen, brachte die neue Tendenz nicht nur Ver-
änderungen in der Lebensform, sondern auch in der Gelehrsamkeit
von Hellas nach Ägypten, vor allem nach Alexandria, das bald zur
Kultur-Hauptstadt der ganzen damals bekannten Welt werden und an
die Stelle von Athen treten sollte. Es war keine rein griechische Kultur,
die sich über die von Alexander eroberten Länder ausbreitete: Die Er-
oberungen des Makedoniers führten zur Entstehung der so genannten
hellenistischen Kultur, die sich doch erheblich von der rein helleni-
schen unterschied; es war eine Verschmelzung der letzteren mit orien-
talischen Kulturen. Wenn es jedoch in dem gesamten Gebiet, das Alex-
ander seinen Waffengefährten hinterlassen hatte, einen Ort gab, der
vom Geiste Athens geerbt hatte, dann war es Alexandria.
Die ägyptische Priesterschaft erfreute sich weiterhin der Förderung
durch die Könige; in Kom Ombo, in Esne und an anderen Orten wur-
den Tempel errichtet, die sich in architektonischer Hinsicht kaum von
denen der 20. Dynastie unterschieden; die Tempel und ihre Hierarchie
hatten bedeutende Einnahmen aus ihren Lehnsgütern, aus königlichen
Schenkungen und aus Spenden der Laien. Aber die alten Riten wurden
im Geiste des Hellenismus verändert, und die neue Gottheit, Serapis,
rückte bald an die oberste Stelle.
Obwohl in den Oasen der überkommene Glaube und auch der
Aberglaube größere Chancen hatten, sich länger am Leben zu erhalten,
drang der reinigende Wind des Hellenismus schließlich auch über die
Wüste vor. Bis zu einem gewissen Grad könnte die kulturelle Verände-
rung im Nildelta mit derjenigen verglichen werden, die das Zeitalter
der Aufklärung im 18. Jahrhundert für Europa brachte; aber unter den
Ptolemäern gab es auch vieles vom Versailles des 17. Jahrhundert –
eine Atmosphäre von Indifferenz gegenüber der Religion, und dies,
obschon die Repräsentanten der Geistlichkeit sowohl im Bereich der
Politik als auch im kulturellen Bereich überwogen. Der Königshof war
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»prachtvoll und zügellos, intellektuell und affektiert«.
Um Alexandria zu verschönern, wurden auf Befehl der Ptolemäer
verschiedene Obelisken dorthin transportiert und auf öffentlichen
Plätzen aufgestellt. Die beiden Obelisken, von denen heute der eine am
Ufer der Themse in London und der andere im Central Park in New
York steht, wurden von Oktavian Augustus vor dem Caesarion in
Alexandria aufgestellt; es steht allerdings nicht genau fest, wann sie
von Heliopolis, nördlich von Memphis, wo sie von Thutmosis III. aus
der 18. Dynastie ursprünglich errichtet worden waren, nach Ale-
xandrien gebracht wurden. Es ist eine bloße Vermutung, daß Oktavian
Augustus sie dorthin bringen ließ; Beweise dafür existieren nicht.
Es ist denkbar, daß für die Entfernung der Obelisken aus Heliopolis
(dem On der Ägypter) eine Genehmigung durch die Priesterschaft er-
forderlich gewesen ist. Die auf ihnen erhaltenen Texte datieren aus der
Zeit von Thutmosis III., aber nahe der Basis sind zu einem späteren
Zeitpunkt Hieroglyphen mit dem Namen Siamun hinzugefügt wor-
den.2 Wenn die – nicht allzu gut erhaltenen Zeilen – zur Zeit der Über-
führung hinzugefügt worden sein sollten, dann beinhalten sie wahr-
scheinlich, daß er, Siamun, es gewesen ist, der diese Aktion autorisier-
te.
Es ist eine ganze Reihe anderer Fälle bekannt, in denen Siamun sei-
nen Namen oder seine Signatur hinterlassen hat – auf Objekten, die in
Memphis, in Tanis und an einigen anderen Orten in Oberägypten ge-
funden wurden. Er war sehr intensiv damit beschäftigt, Tempel und
Monumente aus früheren Jahrhunderten zu restaurieren und zu erhal-
ten. Er machte es sich auch zur Pflicht, die kümmerlichen Überreste zu
bewahren, die von den prachtvollen Königsgräbern der großen Pha-
raonen übriggeblieben waren, sowie diejenigen, die von den Gräbern
seines eigenen Clans erhalten blieben.
Als er die Grabstätten von zwei aus der Frühzeit stammenden und
wenig bekannten
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