Die Seevölker
Halle, die etwa 9 Meter lang und
2,40 Meter breit ist, sowie aus einer nicht fertiggestellten Grabkammer
von etwa drei Meter Länge und 1,50 Meter Breite. In den Hieroglyphen
unmittelbar neben der gemalten Figur des Grabeigentümers wird wie-
derholt festgestellt, daß diese Grabstätte von und für Siamun errichtet
worden ist. Die Wände und die Decke der Halle sind mit farbigen Ma-
lereien ausgeschmückt, von denen einige exquisite Qualität erkennen
lassen: Das gilt etwa für das Wandgemälde, auf dem die Göttin Nut
4 a.a.O., S. 132.
5 a.a.O.
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neben einem voll erblühten Baum zu sehen ist, wie sie selbst dem
Grabeigentümer Nahrung, Wasser und Räucherwerk darbietet. Auf
einem anderen Wandgemälde betet Siamun zu Isis, der ein Bennu-
Vogel folgt. In einem weiteren Wandbild breitet ein Geier seine Flügel
über Siamun aus.
In keinem der erhalten gebliebenen Bilder hat Siamun eine
Uräusschlange oder eine Kobra, Zeichen der königlichen Macht, über
seiner Stirn, aber ein Geier mit ausgebreiteten Flügeln ist ein königli-
ches Symbol. In den noch erhaltenen Inschriften – von denen viele ent-
stellt sind – steht ein Name, ohne von einer Kartusche umsäumt zu
sein. Aber der an den Wänden laufende Fries besteht aus nicht ausge-
füllten Kartuschen – eine für die Grabstätte eines Privatmannes ziem-
lich ungewöhnliche Gestaltung. Eine Persönlichkeit, wie reich oder
prominent in ihren kommunalen Angelegenheiten sie auch immer ge-
wesen sein mag, würde ihre Grabstätte nicht reihenweise mit Kartu-
schen – den Königssymbolen- ausschmücken. Die Kartuschen sind so
angeordnet, daß auf eine Gruppe von zwei blauen Kartuschen jeweils
eine Gruppe von zwei gelben folgt.
Die Decke der Halle ist mit königlichen Symbolen dekoriert: Falken
und Geier mit ausgebreiteten Flügeln und königlichen Insignien, die
von den Krallen der Vögel gehalten werden. Warum hat Siamun, so
nahe, den Königsstatus für sich in Anspruch zu nehmen, nicht seinen
Namen in die vorbereiteten Kartuschen schreiben oder eine Uräus-
Schlange über der Stirn auf einem seiner Porträts anbringen lassen?
Die Antwort liegt auf der Hand: unter den Ptolemäern – und ganz
gewiß unter Ptolemaios II. – wäre es – außer natürlich für die Ptolemä-
er selbst – ein schwerwiegendes Staatsverbrechen gewesen, sich könig-
liche Titel anzumaßen. Siamun ging darin so weit, wie es nur irgend
möglich war: Er ließ die Wände und die Decke mit königlichen Symbo-
len ausschmücken, aber er versagte es sich, dem Künstler den Auftrag
zu erteilen, einen kompromittierenden Anspruch auf einen königlichen
Titel, und damit zugleich auf den Thron, hinzuzusetzen. Schon Peinu-
zem, der Sohn von Mencheperre, hatte es nicht gewagt, den Namen
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Abb. 22: Siamun betet Osiris an. Man beachte die ägyptische Haartracht.
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Abb. 23: Siamun in der Gegenwart von Göttern. Ein Geier schwebt über seinem Kopf
als Zeichen königlichen Rangs. Siamun trägt griechische Haartracht.
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seines Vaters bzw. seinem eigenen Namen den Titel ›König‹ hinzu-
zufügen.6
Da er sich nicht die Freiheit nehmen konnte, neben seinem Namen
und seiner Gestalt den Titel »König« hinschreiben zu lassen, zog Sia-
mun es vor, gar nichts zu schreiben. Während in dem anderen Grab,
dem von Ni-per-pa-Thot, die Ämter aufgezählt sind, die der Verstor-
bene einmal innegehabt hatte (»Prophet des Osiris«, »Schreiber der
göttlichen Dokumente«, »der Größte in seiner Stadt« und »Priester«),
sind neben dem Namen und der Figur von Siamun keine Angaben
darüber gemacht, welche Positionen oder Ämter der Verstorbene in
seinem Leben innegehabt hatte. Die Grabstätte ist nicht fertig gewor-
den, und es war möglicherweise vorgesehen, den Namen des Ver-
storbenen in den Kartuschen anzubringen, falls sich die politische Lage
ändern sollte; aber auch so ist die Ausstattung des Grabes in vieler
Hinsicht durchaus mit derjenigen in den Königsgräbern im Tal der
Könige in der Nähe von Theben vergleichbar.
Bei der Erörterung dieser Details haben wir es unterlassen, die bei-
den verschiedenen Arten zu schildern, auf die Siamun sich porträtiert
zu sehen wünschte. In der Mehrzahl der dargestellten Szenen ist er in
traditionell ägyptischer Kleidung abgebildet- sein Gesicht und sein
Kopf sind rasiert; aber in einigen der Wandmalereien wird er mit fülli-
gem schwarzem Haar und mit einem schwarzen Kräuselbart
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