Die Seevölker
Orakel zum Sohn Gottes er-
klärt hatte. Mit großem Gefolge wurde sein Leichnam nach Ägypten
gebracht, aber Ptolemaios war dagegen, ihn den Priestern der Oase zu
übergeben, und er wählte für ihn eine Grabstätte in Alexandrien. Sie ist
nie entdeckt worden. In Sidon wurde ein Marmorsarkophag von un-
übertrefflicher Schönheit gefunden. Er ist mit Kriegs- und Jagdszenen
geschmückt. Heute befindet er sich im Museum von Istanbul und ist
als Alexandersarkophag bekannt, aber mit Ausnahme seiner Vortreff-
lichkeit lassen weder eine Inschrift noch irgendein anderes Beweis-
stück diese Identifizierung zu.
Als das von Alexander geschaffene Imperium nach seinem Tod
auseinanderbrach, sicherte Ptolemaios, der Sohn des Lagos, der Alex-
ander auf seinen Eroberungszügen bis nach Indien begleitet hatte, sich
Ägypten, und er kämpfte zu Wasser und zu Lande, um sich einen grö-
ßeren Anteil am Erbe zu verschaffen. Einige formale Zeichen von
Loyalität wurden gegenüber Philipp Arrhidaios gewahrt, dem geistig
beschränkten Halbbruder von Alexander, und nach dessen Tod auch
noch gegenüber dem von Roxana nach Alexanders Tod geborenen
Sohn, bis Mutter und Sohn (–310) ermordet wurden. Erst danach pro-
klamierte sich Ptolemaios zum König von Ägypten und Palästina und
begann eine Dynastie, die fast dreihundert Jahre andauerte, bis sie mit
Kleopatra im Jahre –30 erlosch.
Mencheperre, Sohn des Peinuzem, der Alexander in der Oase emp-
fangen hatte, folgte im Amt des Hohenpriesters ein Sohn namens Pei-
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nuzem, so benannt nach seinem Großvater. Von ihm stammen mehrere
Inschriften – eine darunter ziemlich lang, die in eine Mauer das Amun-
Tempels in Karnak eingemeißelt sind. Peinuzem II. figuriert darin als
Hoherpriester oder als Prophet, aber nicht als König; auch seinen ver-
storbenen Vater Mencheperre bezeichnet er nie als König oder als ver-
storbenen König. Peinuzem datiert seine Inschriften in die Jahre 2, 3, 5
und 6 eines Königs, der ungenannt bleibt. »Es ist wünschenswert, die
Identität dieses namentlich nicht genannten Königs zu erfahren«,
schrieb Naville.1 Als ein Sohn und Nachfolger von Mencheperre muß
Peinuzem während der Regierungszeit von Ptolemaios I. gelebt und
sein Amt ausgeübt haben. Die Jahre 2, 3, 5 und 6 wären somit auf die
Königsjahre von Ptolemaios I. anwendbar, wenn sie sich auch auf jene
Zeit beziehen könnten, in der Ptolemaios nach dem Tod Alexanders
praktisch die Herrschaft über Ägypten ausübte, obwohl er sich damals
noch nicht selbst zum König proklamiert hatte.2 Wir gehen davon aus,
daß Peinuzem II. die Funktionen eines Propheten des Amun in den
beiden letzten Jahrzehnten vor dem Jahre –300 ausgeübt hat.
In der großen Inschrift von Karnak übt Peinuzem seine Funktionen
vor dem »großen Gott« aus, was, laut Naville, soviel wie »der König«
bedeutet. Wie in der Stele der Verbannten ernennt der »große Gott«
Schreiber, Aufseher und Landvermesser. Einige von ihnen begingen be-
trügerische Handlungen; Peinuzem befragt das Amun-Orakel, ob ein
gewisser Thutmosis, Sohn des Soua-Amun und Tempelwächter, schuldig
ist, sich Tempelbesitz angeeignet zu haben. Das Orakel antwortet mit
heftigen Bewegungen seines Hauptes wie in der Stele der Verbannten.
Der lange Text läuft auf die Rehabilitierung des Verdächtigten hinaus.
Wie wahr das Verdikt des Orakels war, können wir nicht wissen, aber
das Einmeißeln derartig trivialer Angelegenheiten auf den ehrwürdigen
Mauern des Tempels von Karnak ist ein Zeichen von Dekadenz.
Man nimmt an, daß Peinuzem einen Sohn namens Psusennes ge-
habt hat; dieser Psusennes II. wird gelegentlich als der letzte »König«
der 21. Dynastie gezählt. Es gibt keine Inschrift, die sich mit Sicherheit
1 E. Naville: Inscription historique de Pinodjem III (Paris 1883). In Publikationen aus jüngerer Zeit figuriert dieser Herrscher als Peinuzem II.
2 H. Gauthier: Le Livre des rois d’Egypte, V(1917), 213: »La Chronologie de Ptoléméc I-er nous offre, du reste, une curieuse particularité, en ce qu'elle fait usage d'un double
mode de datation.«
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ihm zuschreiben ließe oder ihn beträfe. Weiterhin geht man davon aus,
daß dieser Psusennes II. eine Tochter namens Makare hatte. Warum
werden diese Annahmen aufgestellt? Um ein Bindeglied zwischen der
Dynastie der Priesterkönige, die als 21. Dynastie geführt wird und der
libyschen Dynastie zu schaffen, die als 22. Dynastie gezählt wird
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