Die Seevölker
Königinnen für die Mumien von großen Königen,
Hohenpriestern und rangniederen Priestern umbauen ließ, hat Siamun
dafür gesorgt, diese Stellen so unauffällig zu gestalten, daß sie durch
die gesamte Herrschaftszeit der Griechen, der Römer, der Byzantiner,
2 Maspero: Les Mondes Royales, S.674; K. A. Wiedemann: Aegyptische Geschichte (1884-88), S. 532.
236
der Araber, der Mameluken und der Türken – bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts – unentdeckt geblieben sind. Er verriet diese Ruhestätten
nicht dadurch, daß er auffällige Monumente auf ihnen errichten ließ;
höchstwahrscheinlich sind die Bestattungsarbeiten, das Zusammentra-
gen und der Transport der Särge, im Schutze der Dunkelheit erfolgt.
Kein Grab, und vor allem kein Grab eines prominenten Mannes aus
dem Militäradel oder aus der Geistlichkeit, war in Ägypten nach dem
6. Jahrhundert mehr sicher vor Einbrechern und Grabräubern. Obwohl
es unter den Ptolemäern mehr Überwachungs- und Sicherheitsmaß-
nahmen gegeben haben muß als zuvor, erscheint es nur natürlich, daß
Siamun, Sproß einer Linie von Militärfürsten und Priestern, den
Wunsch hatte, für sich eine Grabstätte nach eigenem Plan und Entwurf
zu errichten und dafür einen Baugrund in der Oase Siwa zu wählen –
im Schatten des Orakel-Tempels von Zeus-Ammon, auf geheiligtem
Grund; wir werden ihm dorthin folgen. Alexander hatte sich ge-
wünscht, dort begraben zu werden, aber ihm wurde dieser Wunsch
nicht erfüllt.
In der Flanke eines Gabal el-Mota genannten Hügels in der Oase be-
finden sich einige Grabstätten, die jetzt offen liegen. Eines dieser Grä-
ber wurde für Ni-per-pa-Thot gebaut, der in einem kurzen Text auf der
Mauer als »Prophet des Osiris, Schreiber heiliger Bücher und Priester«
bezeichnet wird; er wird außerdem gerühmt als der »große Mann sei-
ner Stadt«, als »Anhänger seines Gottes« und als »vorzüglicher
Mensch«. Der Gott Amun ist nicht erwähnt, und es scheint, als habe
Ni-per-pa-Thot, ein Prophet des Gottes Osiris und ein frommer Mann,
die Oase wegen ihres geheiligten und reinen Bodens ausgesucht und
ihr dabei den Vorzug gegenüber Abydos oder dem Serapaion in Mem-
phis gegeben, das, lange mit den Traditionen des Osiris-Kults verbun-
den, nun zum Zentrum des Serapiskults geworden war.
»Daressy datierte es [das Grab von Ni-per-pa-Thot] in die 20. Dyna-
stie, als er es erstmals untersuchte, aber danach zog er jedoch eine spä-
tere Datierung vor und vertrat die Auffassung, es sei aus der Zeit
Alexanders des Großen.«3 Das bedeutet natürlich nach der akzeptierten
Chronologie eine Reduktion um achthundert Jahre.
In der Nordwestflanke des Hügels befindet sich die Grabstätte von
3 Fakhri: Siwa Oasis, S. 127.
237
Siamun, die im November 1940 entdeckt wurde. »Diese Grabstätte ist
bei weitem das beste, was bisher in der westlichen der Wüste gefunden
wurde, und sie kommt jedem Werk dieser Periode in den Grabstätten
im Niltal gleich.«4
»Als diese Grabstätte gefunden wurde, rief sie in der Oase Siwa eine
große Sensation hervor, jeder kam, um sie sich anzuschauen, und über
die Szenen [in den Wandgemälden] wurden die phantastischsten Er-
klärungen abgegeben … Einige der Bewohner der Oase Siwa behaup-
teten sogar, in den hieroglyphischen Texten könnten sie Warnungen
vor der Katastrophe erkennen, die [wegen des Zweiten Weltkriegs]
über sie gekommen war. Einer der Magier gab vor, er könne aus der
Anzahl der Sterne, die sich in der Grabdecke befanden, errechnen,
wann der Jüngste Tag über die Menschheit hereinbrechen werde.«
Bald nach ihrer Entdeckung wurde die Grabstätte zur Wohnung für
eine große Familie mit ihren Haustieren, Schafen und Hühnern; sie
kochte im Inneren und buk dort ihr Brot, und »folglich wurden viele
Teile der farbig bemalten Wände mit Ruß bedeckt, oder verloren den
Glanz [ihrer] Farben …« Aber »noch schlimmer war das Heraus-
schneiden einzelner Szenenstücke durch die Truppen, die sich [wäh-
rend des Zweiten Weltkrieges] in Siwa befanden und die hingingen,
um sich die neu entdeckten Monumente anzusehen«. Die Grabstätte,
die in vorchristlicher Zeit und durch Jahrtausende hindurch unver-
sehrt geblieben war, war der raschen Zerstörung ausgesetzt. »Der
Mann, der diese Grabstätte als Wohnung benutzte, erlaubte jedem Be-
sucher, einzutreten und zu tun, was ihm beliebte, und er erwartete
dafür ein Bakschisch.«5
Die Grabstätte besteht aus einer
Weitere Kostenlose Bücher