Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
Schnelligkeit und Leichtfüßigkeit den Jungen in Erstaunen versetzt. Und urplötzlich musste er nun, in der Frühlingssonne auf Mona, feststellen, dass er wieder allein war. Manchmal vergaß er ganz einfach die Tiefe des Schmerzes in jenem anderen Mann, die Ozeane des Zorns, die diesen Schmerz überschwemmten. Im Geiste schüttelte Bellos sowohl über sich selbst als auch über die zuschauenden Götter den Kopf und blickte sich dann nach dem Zaunkönig um, der es sich angewöhnt hatte, ihn zu besuchen. Der Vogel kam täglich. Allerdings nur, wenn Bellos allein war. Dann jedoch setzte er sich fast auf dessen Hand. Nun, da Bellos wieder ganz allein war und dies für eine Weile wahrscheinlich auch erst einmal bleiben würde, pfiff er kurz, langte nach einem Haferkuchen, den er extra für diesen Zweck aufgehoben hatte, und krümelte kleine Bröckchen davon an das Flussufer.
     
    Die Unterhaltung wurde mit keinem Wort fortgesetzt, bis Valerius zwei Tage später aus dem hinteren Teil der Kate mit zwei zusammengerollten Ziegenhäuten auftauchte. Direkt vor Bellos, der sie mit augenscheinlicher Neugier betrachtete, breitete Valerius die eine quer über die andere gelegt auf dem Gras aus.
    »Was ist da drin? Krücken?«
    »Nein. Die Krücken können wir, denke ich, weglassen.« Valerius packte das Endstück einer der Häute und rollte sie auseinander. Metall schlug auf Metall, als zwei Klingen hinausfielen und auf das Gras schlitterten.
    Auf Bellos’ Gesicht zeichnete sich das gleiche Wechselspiel von Emotionen ab wie an jenem Tag, als man ihn bat, den Wermutsud zu trinken. »Was ist das?«
    »Das sind Übungsschwerter. Wonach sehen sie denn sonst aus?« Valerius grinste. »Dein Vater sagte, du würdest einen guten Töpfer abgeben. Ich aber denke, du wärst ein Krieger geworden, hätte man dir nur die Möglichkeit dazu gegeben. Gegen Ende des kommenden Mondes wird Luain mac Calma wieder zurück sein. Er sagte, wenn du stehend zwei meiner Schwertstreiche abwehren könntest, stände es uns frei, wieder nach Hibernia zurückzukehren. Ich dachte mir aber, es wäre doch schön, wenn wir ihm noch ein bisschen mehr zeigen könnten als bloß zwei Schläge.«
    »Dann willst du also einen Krieger aus mir machen?« Bellos lachte. Der Zaunkönig, der sich gerade an den Krumen auf einem Stein gütlich getan hatte, flatterte mit warnendem Zirpen davon. »Julius, das kann nicht dein Ernst sein!«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil ich eine panische Angst vor jeder Art von Kampf habe. Ich habe doch hinter dir auf dem Pferd gesessen, als du in Gesoriacum die Römer getötet hast, und ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine solche Angst gehabt. Wäre Fortunatus in dem Augenblick wie Neptun aus dem Meer gestiegen und hätte mir angeboten, mich wieder mit zurück in die Taverne zu nehmen, wo er mich für den Rest meines Lebens täglich verprügeln würde, dann hätte ich ihm dafür sogar noch gedankt.«
    »Wirklich? Hinterher aber nicht mehr, bestimmt nicht. Der Mann war doch abscheulich. Doch wie auch immer, Angst ist stets genau der richtige Ausgangspunkt. Wenn du auf ein Schlachtfeld marschierst und dein Herz steckt dir vor lauter Angst nicht sprichwörtlich in der Kehle, dann bist du tot, noch ehe du überhaupt Zeit hast, deinen Fehler zu bemerken.«
    Bellos schüttelte den Kopf. »Ich habe doch gesehen, wie du gekämpft hast, Valerius. Ich hatte die Arme um deine Taille geschlungen. Ich konnte jeden einzelnen deiner Herzschläge spüren. Du warst verzweifelt. Du warst von einem tödlichen Zorn erfüllt. Und gegen Ende, am Meeresufer, machtest du dir Sorgen um das Schiff, denn du wusstest nicht, wohin es uns führen würde. Aber nie, nicht einen einzigen Augenblick, hattest du Angst.«
    Valerius zuckte mit den Schultern. »Manchmal überdeckt der Zorn bloß die Angst. Und wenn man keine andere Wahl hat, ist das sogar ganz nützlich. Hier - jetzt nimm das, und bis zum Vollmond üben wir mit dir im Sitzen. Danach werden wir mal sehen, ob wir dich nicht dazu bringen können, aufzustehen.«
    »Ich bin kein Krieger. Und du wirst auch keinen aus mir machen können.« Bellos saß auf dem dreibeinigen Schemel und fuhr sich keuchend und mit zitternder Hand durch sein vom Schweiß dunkel gefärbtes Haar. Über die gesamte Länge seines Unterarms verlief eine klaffende Wunde, und seine Schultern waren schwärzlich verfärbt vor lauter alten Prellungen, von denen einige an den Rändern bereits ins Grünliche übergingen. »Warum können wir nicht

Weitere Kostenlose Bücher