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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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eben wieder zurück und jonglierte mit der Blase und einem Strang Seetang, der, über Rauch getrocknet und fein zermahlen, helfen würde, die Koliken der roten Stute zu lindern, als Bellos ihm seine Einschätzung offenbarte. Valerius warf dem Jungen die Blase zu, erwiderte jedoch nichts.
    Das war ein Wurf, der nicht allzu leicht zu fangen war. Bellos packte die Blase, schwankte allerdings ein wenig unter ihrem Gewicht und balancierte sie schließlich, ohne hinzuschauen, auf den Fußspitzen; seine ganze Aufmerksamkeit war auf Valerius gerichtet. »Ich meine es ernst«, sagte er. »Träumer sind Heiler, und du hast die Gabe dazu. Meine Mutter beherrschte das fast ebenso gut wie du - das heißt, ehe die Sklavenhändler sie gefangen nahmen -, und vor ihr der Großvater meines Vaters, aber ansonsten habe ich nur noch wenige andere von dieser Art kennen gelernt.«
    Valerius konzentrierte sich ganz darauf, den Seetang in klarem Wasser auszuspülen. Ohne aufzuschauen entgegnete er freundlich: »In den Armenvierteln von Gesoriacum waren sie wohl auch nicht allzu häufig anzutreffen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein Heiler freiwillig seine Zeit in Fortunatus’ Hurenhaus verbringen würde.«
    Es war ein Zeichen ihrer gegenseitigen Annäherung, dass Bellos nun von seiner Familie erzählte, wie er sie aus den wenigen Jahren vor seiner Gefangennahme in Erinnerung hatte, und dass Valerius Scherze über die schmutzige, von Läusen verseuchte Taverne machen konnte, aus der er den nicht minder schmutzigen belgischen Bengel freigekauft hatte, der ihm damals als nachmittägliche Unterhaltung angeboten worden war.
    Bellos grinste und schlang die geflochtene Kordel zu einem Pferdehalfter zusammen. Seine Hände bewegten sich in geübten, fließenden Bewegungen, als ob sie schon immer Lederkordeln angefertigt hätten, und verliehen ihnen zudem auch noch ein so schönes Muster, wie es sonst kaum jemand zu flechten vermochte.
    Nach einer Weile bemerkte Bellos wie beiläufig: »Mein Vater sagte immer, ich würde einmal einen guten Töpfer abgeben. Das war sein Handwerk, und er erwartete, dass seine Söhne in seine Fußstapfen treten würden. Wenn du bei deinen Leuten geblieben wärst, wärst du dann Schmied geworden oder Heiler, was meinst du?«
    »Ich war dabei, zum Krieger ausgebildet zu werden. Dafür sollte meine Schwester die Träumerin von uns beiden werden, und womöglich hielt sie sich sogar bereits dafür.«
    »Aber du hast das anders gesehen?«
    Valerius blickte auf. Sie sprachen nicht oft über seine Schwester. Und in Valerius’ Augen erschien ein Blitzen, das andeutete, wie gefährlich dieser Vorstoß war, wie dicht sie sich gerade jenem Gebiet angenähert hatten, das noch nicht einmal Bellos betreten durfte. »Als sie zwölf war, tötete sie einen bewaffneten Krieger mit einem einzigen Wurf eines Jagdspeers«, antwortete Valerius. »Sie erwachte jäh aus tiefem Schlaf und hatte keinerlei Schild oder Zeit, ihr Vorgehen zu planen. Nein, ich habe nie geglaubt, dass sie einmal irgendetwas anderes werden würde als eine Kriegerin.«
    »Dann hast du also Recht behalten.«
    »Ja.«
    »Und war das der Grund, weshalb auch du schließlich das Schwert ergriffen hast?«
    Valerius zog den tropfenden Seetang aus dem Fluss und lehnte sich auf die Fersen zurück. Sein Gesicht wirkte entspannt und sein Lächeln sanft. Nur seine Augenlider hatten sich ein wenig tiefer hinabgesenkt als sonst, ganz so, als ob sich Dinge hinter ihnen verbargen, die sie lieber nicht zeigen wollten. »Nein«, erwiderte er. »Das habe ich getan, weil Rom mich dafür bezahlte. Als ich ein Sklave war, ist nämlich niemand gekommen, um mich aus Amminios’ Haushalt freizukaufen. Mich der Hilfstruppe anzuschließen, war also die einzige Möglichkeit, die mir noch blieb.«
    Bellos bemerkte die ersten Anzeichen der Warnung, entschied aber, sie zu ignorieren. Er war schon einmal zuvor so weit gekommen und war dann doch wieder zurückgeschreckt. In dem deutlichen Bewusstsein dessen, was er tat, sagte er nun: »Corvus hätte dich aber schon gekauft, glaube ich.«
    Die Augen unter schweren Lidern verloren jeglichen Ausdruck. Das Lächeln war nur noch ein Reflex, höflich, doch distanziert. »Schon möglich, aber ich wollte mich nicht von Corvus kaufen lassen.«
    »Warum nicht, wenn du ihn doch liebtest?«
    Bellos’ letzte Worte trafen auf Schweigen. Von dem Augenblick an, als Bellos und Valerius sich in dem Hurenhaus das erste Mal begegnet waren, hatten Valerius’

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