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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Bedeutung dieses Zeichens noch begriffen hätte.
    Und doch hätte er es wissen müssen; ein Mann, der den Eingang einer Höhle weiß anstreichen ließ, drückte auch dem Allerheiligsten in ihrem Inneren noch seinen Stempel auf. Der See war von Eisen umschlossen, von einem Ring aus schlanken Eisenstangen. Stangen, wie die Legionen sie am Rande ihrer Nachtlager aufstellten, abgesehen von der Tatsache, dass diese hier nicht aus Holz waren, sondern dass sie geschmiedet, gezogen und von Hand ausgehämmert waren und an ihren Enden das Punzzeichen des Raben prangte, genau jenes Zeichen, das auch auf Valerius’ Brust eingebrannt war. Und wo die Legionäre ihre Begrenzungspfeiler mit einem einzigen Hieb in den Boden rammen konnten, hatten hier Männer tagelang mit Meißeln und Mörtel arbeiten müssen, um die Streben in das Felsgestein einzupassen, das den Boden der Höhle bildete.
    Es war ein Sakrileg, begangen im Namen des Gottes, und Valerius’ sämtliche Sinne schrien bei diesem Anblick laut auf. Er wandte sich um und entdeckte im hinteren Teil der Höhle einen marmornen Altar, und jener kleine Teil seines Bewusstseins, der noch denken konnte, versuchte sich bereits auszumalen, wie man den wohl durch den Tunnel gezwängt hatte. Der Rest seiner selbst musterte einfach nur die in Stein geritzten Zeichen, die den Altar umschlossen, die Goldverzierungen und die aufgemalten Symbolfiguren, und auch all dies schien Valerius ein einziges Sakrileg.
    Voller Abscheu fragte er: »Kennen sie dich denn überhaupt nicht?«
    Sie glauben auf jeden Fall, mich zu kennen. Und bist du denn tatsächlich so viel anders als sie?
    Wesentlich langsamer, als er sich vorhin von dem Wasser weggedreht hatte, wandte Valerius sich ihm nun wieder zu. Nemain war ihm noch nie in einer Vision erschienen, auch hatte sie noch nie laut zu Valerius gesprochen, so dass ihre Stimme von den wie mit Juwelen aus Wasser geschmückten Felsen prallte und Valerius selbst dort, wo er stand, noch am ganzen Körper erbeben ließ.
    Mithras dagegen tat beides. Allerdings kniete der Gott dieses Mal nicht inmitten seiner Flammen, so wie er es zuvor schon einmal getan hatte, und auch lag kein Stier zu seinen Füßen, weder tot noch lebendig. Dafür stand jener Hund an Mithras’ Seite, der stets gemeinsam mit ihm dargestellt wurde - in den Wandmalereien und Friesen der Kellergewölbe, die sich unter den römischen Festungen erstreckten. Allerdings war der Kopf dieses Hundes hier etwa auf Höhe des Oberschenkels von Mithras; auf den Bildern dagegen war das Tier immer recht klein und hatte hängende Ohren, ein Jagdhund mit kurzem, glattem Fell, der aus den heißen Wüsten stammte, die auch Mithras’ Geburtsstätte waren.
    Hier, in der Höhle des Lichtgottes unter den Bergen Britanniens, war der Hund jedenfalls sehr groß, hatte spitze, aufrecht stehende Ohren und ein drahtiges, geflecktes Fell, und über sein Nackenfell zogen sich weiße Sprenkel, ganz so, als ob das Tier gerade noch mitten in einem Schneegestöber gestanden hätte. Es war der Hund aus der Traumkammer der Ahnen, der Valerius am Fuße des Gottesberges verlassen hatte, und zugleich war er auch Hail, der doch eigentlich tot und Briga übergeben worden war. In jedem Fall aber hätte er nicht an der Seite irgendeines fremden Gottes erscheinen sollen, vor allem nicht an der Seite eines Gottes, der so eng im Zusammenhang mit den Legionen stand.
    Valerius öffnete den Mund, schloss ihn aber sogleich wieder. Nemain beobachtete ihn dabei und bot ihm doch keinerlei Hilfe an.
    Belustigt sprach Mithras: Ich frage dich noch einmal. Kennst du mich, Julius Valerius, Schmied aus Hibernia?
    Valerius fand seine Stimme wieder, was ihn insgeheim überraschte. »Das zu behaupten würde ich mir niemals anmaßen. Habe ich mir auch nie angemaßt.«
    Und dennoch entfernst du die falschen Opfergaben vom Eingang meiner Höhle und verspürst Kummer über die Einfriedung meines Sees.
    » Ich möchte dich einfach nicht leiden sehen.«
    Das also verstehst du immerhin schon. Ich will die Frage noch einmal anders stellen. Kennst du mich, Bán von den Eceni?
    » Nein.«
    Valerius sprach, ohne nachzudenken und aus jenem sich zusammenkrampfenden Ort in seiner Brust heraus, wo sich noch immer ein uralter Schmerz verbarg. Vier Jahre zuvor wäre es bei diesem einen Wort geblieben. Nun aber und aus jener Freiheit heraus, in die erst Nemain ihn geführt hatte, fuhr er fort: »Als Julius Valerius, Dekurio der Kavallerie und Diener des Kaisers, hätte

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