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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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sollen, hatte die Nachricht von den neuesten Opfern der Bodicea damals doch die Runde durch sämtliche Siedlungen aller im Osten lebenden Stämme gemacht. Folglich gab es eigentlich keinen Grund, weshalb er ihr hätte zu Hilfe kommen sollen. Breaca nickte ihm dankend zu, was der Coritani höflich zur Kenntnis nahm, in ihrem Inneren jedoch schrillten sämtliche Alarmglocken; denn ein Feind, der einem seine Hilfe anbietet, ist doppelt gefährlich.
    Doch es gab nichts, was sie nun hätte unternehmen können, und die im Augenblick drängendere Gefahr war ohnehin der Prokurator, der gerade zu der Wand starrte, an der einst das Schwert des Königs geprangt hatte. An der Stelle, wo es gehangen hatte, war das Holz um einen Hauch heller.
    »Prasutagos hatte mit einer nach römischem Gesetz unerlaubten Waffe gekämpft«, sagte er. »Wo hatte er die her?«
    Er stellte lediglich Vermutungen an. Denn Tagos’ Schwert war gemeinsam mit Breacas Klinge in der Schmiede nahe dem Großen Versammlungshaus versteckt, und nur eine Suche, bei der aber auch wirklich alles auseinander genommen würde, vermochte die Waffen zu Tage zu fördern; es war also äußerst unwahrscheinlich, dass der Prokurator die genaue Länge von Tagos’ Schwert kannte. Dennoch konnte es nicht schaden, ihm auf seine Frage eine Antwort zu geben. Denn jeder weitere Augenblick, den Breaca den Prokurator mit Reden hinhalten konnte, war ein Gewinn.
    Breaca wartete, bis der Dolmetscher geendet hatte, und erwiderte dann: »Ich habe keine Ahnung, wie lang seine Klinge gewesen sein mag oder wo er sie herhatte. Er war schließlich der König. Solcherlei Wissen pflegte er nicht mit mir zu teilen, und nun ist er tot, kann also auch nicht mehr dazu befragt werden. Aber wenn Ihr die Waffe in Händen haltet, dann braucht Ihr nur die darin eingeritzten persönlichen Kürzel des Schmiedes abzulesen, um die Quelle ausfindig zu machen.«
    Der Prokurator starrte sie an. Dann schenkte er ihr ein schmallippiges Lächeln. Seine Lippen waren von dem bläulichen Rot, das auf ein schwaches Herz hindeutet, und seine Haut wies die fahle gelbliche Tönung auf, die für gewöhnlich von einer überlasteten Leber herrührt. Ohne die römischen Legionen, die ihm seine Macht verliehen, hätte er sein Geld vermutlich als unbedeutender kleiner Schreiber verdient, der Kleinstadthändlern ihr Testament aufsetzte und diesen Verdienst anschließend sogleich wieder im Bordell verprasste. »Später«, erwiderte er nun. »Wenn die Inventur abgeschlossen ist.«
    Nach dem langen Winter, in dem die Kammer des Königs nicht benutzt worden war, war die Luft darin nun geradezu modrig; sie hielten sich also nicht allzu lange darin auf. Draußen hatte die Reihe von umherwandernden Söldnern derweil einmal die Siedlung durchquert. Die Hälfte von ihnen wandte sich gerade wieder um, marschierte durch die Tore und bahnte sich ihren Weg über die Pferdekoppeln, vorbei an den trächtigen Stuten, dann zu den Jungtieren und Wallachen und schließlich bis zu jenen drei Zuchtpferden, die etwas abseits auf den Hängen des Hügels gehalten wurden.
    Dort oben stand auch der letzte Abkömmling der grauen Stute, das Ergebnis langjähriger sorgfältiger Züchtung. Sein Vater war bereits verstorben, war unter Braint auf Mona getötet worden, noch ehe er wirklich erprobt werden konnte. Der Sohn, den er hinterlassen hatte, war noch nicht für den Kampf abgerichtet worden, hatte im Herbst aber bereits zweimal an einem Wettrennen teilgenommen und dabei gewonnen. Und seine ersten Fohlen wiederum würden im Frühling geboren werden, und sie würden selbst die Besten der Besten noch übertreffen. Der Junghengst stand auf der am höchsten gelegenen Koppel und empfing die Fremden mit einem schrillen Wiehern. Da diese allerdings keine Reiter waren, trauten sie sich nicht allzu nahe an das Tier heran.
    Gleich nach Stone, der dicht neben ihr stand und sich mit seiner Schulter an ihr Knie presste, empfand Breaca den Sohn der grauen Stute als das größte Fanal, als die eindringlichste Erinnerung daran, wie ihr Leben einst ausgesehen hatte und wie es auch wieder werden könnte, wenn nur erst einmal die Legionen vernichtet waren. Sie war überrascht, wie sehr der Anblick des Zuchthengstes, trotz all des Durcheinanders, sie noch immer aufzumuntern vermochte, und wie sehr sie der Gedanke schmerzte, ihn zu verlieren.
    Dennoch war es wichtig, die Unterhaltung nicht abreißen zu lassen. »Nach diesem Winter, in dem es für sie nur wenig Futter gab,

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