Die Seherin der Kelten
durch ihre Gedanken strich, legte sich wieder.
Dubornos stand noch immer da und wartete. Breaca überlegte. Ihre Tochter sollte schließlich noch etwas anderes haben, das sie durch ihr Leben begleiten würde, als bloß Erinnerungen. Und an Breacas Schulter steckte ja noch immer die Brosche in der Form des Schlangenspeers, von der die kurzen schwarzen Wollstränge herabbaumelten, so wie sie seit jeher an ihrer Schulter gesessen hatte - seit jenem Tag, an dem Caradoc sie ihr als Geschenk aus Gallien gesandt hatte.
»Du bist mein erster und mein letzter Gedanke, für alle Zeit.« So lautete die Nachricht, die er ihr damals geschickt hatte, und leise wiederholte Breaca nun diesen Schwur, als sie den Verschluss der Brosche öffnete und diese dann an Graines Tunika befestigte, als ein Geschenk gleichsam von beiden Elternteilen, das sie in ihr Erwachsenenleben hineinbegleiten würde.
Dubornos verstand die Geste und würde sie dem Mädchen, sobald es alt genug dazu wäre, erklären können. Mit einem Blick aus seinen dunklen Augen dankte er Breaca für die Brosche.
Breaca beugte sich vor, küsste ihre Tochter und dann, zu Dubornos’ großer Überraschung, auch ihn. »Beschütze fortan du sie für mich«, sagte sie.
»Mit meinem eigenen Leben.«
Breaca hatte ihn noch nie weinen gesehen. Tränen benetzten nun seine Wangen, als er kurz den Zurückbleibenden zunickte, Ardacos, Airmid, Gunovar, und zum Schluss auch Cygfa, jener Frau, der er das Licht seiner Seele geschenkt hatte, in dem klaren Bewusstsein, dass sie seine Liebe doch nie würde erwidern können. Dann wandte er sich ab und trug seine nur allzu leichte Last von der Schmiede fort.
Nachdem Dubornos gegangen war, herrschte Schweigen, ganz so, wie auch vor einer Schlacht Schweigen herrschte, wenn die Leiche eines getöteten Kundschafters gefunden worden war und die Stärke des Feindes erwogen wurde.
»Wir brauchen jemanden, der die Waffen versteckt«, fuhr Breaca schließlich fort. »Ich habe doch nicht den ganzen Winter über geschuftet, nur um sie nun wieder zu verlieren. Gunovar, du kannst...«
»Ich kann mit dir kommen, um herauszufinden, wie dein Sohn sich in der Gesellschaft Roms gehalten hat. Die Krieger können derweil die bis heute hergestellten Waffen mitnehmen. Das noch unverarbeitete Eisen wird hier bleiben müssen; wir haben keine Zeit, um auch das noch zu vergraben. Und versuch ja nicht, mich zu schlagen, so wie du deine Tochter geschlagen hast. Dafür bin ich schon zu alt, und du hast auch nicht die Zeit, um die nun erst mal darauf zu verwenden, gegen mich anzukämpfen, statt gegen Rom.«
Nüchtern entgegnete Breaca: »Du weißt, wie wir dann möglicherweise sterben werden?«
Gunovar spreizte flach die Hand über ihrem Gesicht. Ihr schiefer Mund verzerrte sich noch weiter, betonte die Narben nur noch zusätzlich. »Zweifelst du etwa daran?«
»Nein. Natürlich nicht. Tut mir Leid. Und es steht dir natürlich frei, dein Leben den Göttern in genau der Form darzubieten, wie du es ihnen darbieten willst.«
Nun schlossen sich auch die anderen um Breaca: Cygfa, die bereits in Rom gelebt, dort im Schatten ihres eigenen Kreuzes gestanden und den Horror des Erlebten fortan tief in ihrem Inneren verschlossen hatte; Ardacos, der noch immer die Möglichkeit besaß, einfach hinauf in den Norden zu fliehen und dort die Aufgabe eines der Stammesältesten der Kaledonier zu übernehmen; Airmid, Herz ihres Herzens, Seele ihrer Seele, die die Vorsitzende des Träumerrats von Mona hätte sein können, die das Wesen des Traums wieder in den Westen und zurück nach Hibernia hätte tragen können.
»Mir wäre es das Liebste, wenn auch ihr anderen einfach alle fortgehen würdet, jetzt, gemeinsam mit Dubornos, Lanis und den Kriegern, aber ich kann euch wiederum nicht zwingen, dazu besitze ich nicht die Macht.«
Das war ihnen allen bewusst, und sie rangen um Worte. Am Ende war es Cygfa, die wie leichthin entgegnete: »Ich denke doch nicht, dass der Prokurator sonderlich lange in der Siedlung verweilen würde, wenn er nur eine einzige Frau darin vorfände.«
Und genau deshalb führte Breaca von den Eceni schneller, als irgendjemand von ihnen dies für möglich gehalten hätte, die Hälfte von Cunomars Ehrengarde und, bis auf zwei, auch sämtliche jener Männer und Frauen, die in ihren Händen die Fasern von Breacas Herz hielten, wieder hinab in jene Siedlung, in die sie sie zwei Jahre zuvor schon einmal gebracht hatte.
Als kurz darauf dann der Karrenpfad unter
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