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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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offen die Kriegerzeichen der Feuereidechse zur Schau.
    Beides war sowohl eine Warnung als auch eine offene Erklärung ihrer Feindschaft, und beides war gänzlich überflüssig; sein Gesicht, im Profil betrachtet, war eine jüngere Version des Gesichts jenes Sklavenhändlers, den Breaca und Cunomar damals im Wald hinter dem Pferdemarkt getötet hatten. Breaca hätte die Züge seines Vaters also ohnehin in ihm erkannt, auch ohne dass es dazu noch der Erinnerung bedurft hätte.
    Er ritt in der letzten Reihe der zweiten Zenturie und gab sich keine Mühe, sich zu verstecken; eher im Gegenteil. Als er vorüberritt, traf sein Blick auf den von Breaca. Er nickte ihr zu, und in diesem Gruße lag ein kühles, ruhiges Begreifen, das noch wesentlich bedrohlicher war als sämtliche Söldner des Prokurators zusammengenommen. Und weil es wichtig war, ihm das Ausmaß ihres Entsetzens auf keinen Fall zu zeigen, entbot Breaca ihm wiederum den Gruß nach Art der Coritani-Krieger und war überrascht, als er ihn erwiderte.
    Ein Standartenträger ritt zur Spitze der Reiterkolonne und hielt dabei hoch emporgehoben eine Fahne, auf der in silbernem Garn gestickte Waagschalen vor einem scharlachroten Untergrund prangten. Mit dieser Fahne gab er nun ein Signal, woraufhin die hintere der drei Zenturien aus der Formation ausscherte und die Siedlung umringte. Das Ganze lief absolut reibungslos ab, war das Ergebnis häufigen Übens.
    Die verbleibenden zwei Zenturien teilten sich in Gruppen zu je acht Mann auf; eine Abteilung, um Cunomar zu bewachen, eine weitere für seine Bärinnenkrieger und eine dritte, um Breaca und deren Familie zu beaufsichtigen, ausgenommen Ardacos, der ein erwachsener Mann war und zudem eindeutig ein Krieger, so dass es gerechtfertigt erschien, zusätzliche acht Mann zu seiner Bewachung abzustellen.
    Jene, die nicht zum Wachdienst eingeteilt waren, formierten sich in einer Reihe, die vom einen Ende der Siedlung bis zum anderen reichte. Der Standartenträger gab abermals ein Signal, und in vollkommenem Gleichschritt marschierten die Söldner vorwärts. Je ein Mann in jeder Achtergruppe war mit einem Stift und einer Schreibtafel ausgestattet.
    »Die Männer werden eine erste Bestandsliste der Siedlung aufstellen. Während sie mit der Auflistung des Inventars beschäftigt sind, werdet ihr bei uns bleiben. Danach wird man von euch verlangen, diese Auflistung zu bestätigen.«
    Der Prokurator sprach Latein, und der Junge aus dem Stamme der Trinovanter übersetzte dessen Worte daraufhin in gestelztes Eceni.
    Breaca nickte und antwortete an den Jungen gewandt: »Wenn der Prokurator vielleicht im Schlafgemach des Königs warten möchte? Zwar wurde der Raum seit dessen Tod nicht mehr benutzt, aber ich kann ein Feuer entzünden, dann wird sich die Feuchtigkeit dort rasch wieder verflüchtigen.«
    Der Prokurator jedoch fühlte sich in der klammen Kälte eines ungelüfteten, ungeheizten Raums nicht wohl. Er zog es vor, nur gerade eben so lange in der Kammer des Königs zu verweilen, wie es dauerte, um die Münztruhe umzukippen und festzustellen, dass sie leer war.
    »Du hast sein Geld versteckt. Wo?«
    »Warum sollte ich verstecken, was wir an Steuerschulden ohnehin zu begleichen haben? Hätten wir das Geld, dann könntet Ihr es jetzt gerne an Euch nehmen.«
    »Aber wie wollt ihr dann die Steuern begleichen, wenn ihr nichts habt?«
    Der Prokurator war ein Mann, für den die Nahrung selbst im Winter nie knapp wurde, dessen Leben jedoch davon abhing, Britannien zum Zahlen zu zwingen; das musste sie stets im Hinterkopf behalten.
    »Das Geld ist nicht vor der Mitte des Sommers fällig«, entgegnete Breaca. »Bis dahin werden wir genügend Pferde und Hunde eingetauscht haben, um die Steuern bezahlen zu können. Ich habe eine Hündin, die bald werfen wird. Das wird...«
    »Du willst deine Schulden gegenüber dem Kaiser mit Hunden begleichen?«
    »Wäre der Prokurator je auf die Jagd gegangen, wüsste er den Wert der Hunde der Eceni zu schätzen.« Gegen den Türpfosten gelehnt stand der junge Coritani-Späher mit den Gesichtszügen eines Habichts. Von Anfang an hatte er dort als unaufdringlicher Beobachter gestanden. »Das Volk meines Vaters«, fuhr er fort, »würde für eine Zuchthündin der Eceni genauso viel zahlen wie für einen für den Kampf abgerichteten Junghengst. Das solltet Ihr in Euren Bestandsverzeichnissen berücksichtigen.«
    Breaca hatte seinen Vater getötet, und er wusste es; wie hätte er auch nicht davon erfahren

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