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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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blutbeschmierten Hände am Gras abgewischt, nun war sie fertig. Sie nickte gedankenverloren. Danke. Morgen früh werde ich einmal über dein Geschenk nachdenken, wenn ich dann noch leben sollte. Jetzt lächelte sie nicht mehr, doch sie hasste ihn auch nicht. Du solltest nach Hause gehen, sagte sie. In Rom erkennen dich deine Götter. Hier aber können sie nicht zu dir sprechen.
    Der Waffenmeister brüllte ein zweites Mal, und wieder erhielt er keine Antwort. Aus der Sicherheit der Zeltreihen heraus tauchte ein Legionssoldat auf, und seine Panik beim Anblick der Leiche war weitaus größer, als Vindex’ gewesen war. Sein Schrei rief nun auch den Waffenschmied herbei, und der verlangte endlich lautstark nach Fackeln. Männer kamen herbeigerannt, so wie man es ihnen eingedrillt hatte, und auch wenn das Licht hinter den Zelten für sie keinen so hellen Schein bot wie das Mittagslicht, so reichte es doch aus, um die Kriegerin mit dem Haar von der Farbe des Fuchses erkennen zu können.
    Nun rannte sie davon, geschmeidig und ohne allzu große Eile, wie ein Reh, das noch nicht die Hunde hört. Der Waffenmeister der zweiten Zenturie war ein vernünftiger Mann, der überhaupt keinen Wein trank. Auch war er, drei ganze Jahre lang, der beste Speerwerfer seiner Kohorte gewesen, ausgezeichnet für die Schnelligkeit und Treffsicherheit seiner Würfe. Wieder brüllte er einen Befehl, und fünf Männer kamen angerannt, um ihm die verlangten Speere zu bringen und ihm jedes Mal, wenn der zuvor geschleuderte Speer gerade die Luft durchschnitt, sogleich einen neuen in die Hand zu drücken. Er warf zehn Speere, verteilt über eine Breite von etwa zwölf Schritten. Der vorderste der Fackelträger beobachtete, wie der achte Speer traf. Er schrie zu dem Waffenschmied hinüber, rief Mars Ultor an und verkündete einen tödlichen Treffer. Vindex, der die Dinge nun mit anderen Augen sah, wusste, dass die Bodicea verwundet worden war, sich aber noch nicht zu ihm ins Reich der Toten gesellt hatte.
    Von jenseits der Grenzen des Lagers her füllte ihre Stimme seinen Kopf. Sie klang atemlos und abgehackt, doch er konnte nicht beurteilen, ob es Schmerz war, der sie peinigte, oder ein überwältigendes Bedürfnis, in lautes Gelächter ausbrechen zu dürfen.
    Geh nach Hause , drängte sie ihn erneut. Im Tode ist die Reise zurück nach Rom viel schneller, ich verspreche es dir, und das Land ist wärmer. Warum willst du hier im Regen bleiben, wo du nicht willkommen bist? Nun, wo du tot bist, hat die Legion doch keinerlei Rechte mehr an dir. Du kannst gehen, wohin du willst.
    Ein Gedanke, der Vindex auch im Leben schon mehr als einmal gekommen war. Im Tode aber, so erkannte er nun voller Freude, war er endlich wirklich frei. Er glitt durch die Wände des Offizierszeltes und durch die unbedeutende Masse seiner Zenturie hindurch und trat die tatsächlich nicht allzu lange Reise zurück nach Rom an.
    An der Stelle, wo er gestanden hatte, starben noch drei weitere Männer in einem Hagel von schwarz angemalten Flusskieseln. Der Waffenmeister war der letzte von ihnen.

ERSTER TEIL
    Herbst A. D. 57

I
     
    Das Wasser war kalt, und der Torf und der erst kürzlich gefallene Regen hatten es braun gefärbt.
    Breaca von Mona, die allen, ausgenommen ihre Familie und ihre engsten Freunde, nur als die Bodicea bekannt war, als die Siegbringende und Anführerin von Armeen, kniete allein am Ufer eines Gebirgsbachs. Sie wusch sich das Gesicht, die Hände und die blutende Wunde an ihrem Oberarm. Dort, wo sie mit den Händen in das Wasser eintauchte, nahm der Bach für einen flüchtigen Moment eine leichte Rosatönung an. Als sie fertig mit Waschen war, schöpfte sie mit der hohlen Hand etwas sauberes Wasser, spülte damit ihren Mund und spuckte anschließend den Geschmack nach Eisen aus, den das Blut hinterlassen hatte.
    In den Schatten eines in der Nähe gelegenen Birkendickichts döste eine Rotschimmelstute. Sie war das Ergebnis langjähriger und sorgfältiger Züchtung und besser als alles, was Rom hätte aufbieten können. Sie trug Zaumzeug, aber keine Fußfesseln, und erschien auf Breacas Rufen hin. Die Hufe der Stute waren mit weichem Leder umwickelt, um den Hall ihrer Schritte zu dämpfen. Nachdem Breaca sich auf den Rücken des Tiers geschwungen hatte, ritt sie nach Norden und in leicht östlicher Richtung die Berge hinauf. Die Bodicea hielt sich dabei stets an die steinigen Pfade, dort, wo die Wahrscheinlichkeit am geringsten sein würde, dass die im Dienste Roms

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