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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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gestellt, und das solltest du auch nicht - denn die bloße Überlegung würde das Andenken deiner Mutter bereits entehren. Zumal noch eine ganze Menge jener Männer und Frauen, die bei deiner Geburt dabei waren, am Leben sind, und sie alle können deine Abstammung bezeugen. Bis zu dem Zeitpunkt, als Airmid ihre volle Kraft erlangte, war Macha die mächtigste Träumerin, die Mona - beziehungsweise ganz Irland - je gesehen hat. Hätte Macha also beschlossen, auf Mona oder in Irland zu bleiben, wäre sie dort bereits innerhalb von fünf Jahren in den Rang der Ältesten aufgestiegen. Stattdessen entschied sie sich, im Land der Eceni, die ihr Volk waren, ihren Sohn und ihre Tochter zu gebären. Ihre Tochter ist bereits tot - im Übrigen erbte Silla keine der Fähigkeiten ihrer Mutter. Ihr Sohn aber lebt noch. Sein Volk und das ihre brauchen ihn jetzt.«
    »Nein.«
    »Nein?« Mac Calma wagte es, die Augen aufzureißen, zornig oder vielleicht auch voller Verachtung. »Du leugnest ihre Hilfsbedürftigkeit also? Oder schlägst du ihnen ihre Bitte bereits ab, noch ehe du überhaupt die Bedingungen gehört hast?«
    »Ich brauche die Bedingungen nicht zu hören; du hast mich schon einmal gefragt. Ich werde nicht in den Osten mitkommen, um dort im Namen meiner Mutter die Speerkämpfer der Eceni anzuführen.«
    »Darum bitte ich dich ja auch gar nicht.«
    »Worum bittest du dann?«
    »Darum, dass ich im Gegenzug für Bellos’ Heilung - und die muss, wenn sie überhaupt gelingen soll, auf Mona stattfinden - deine Dienste genießen darf, die Dienste eines Sohnes für seinen Vater, so lange, wie Bellos braucht, um sich wieder zu erholen.«
    Das war nun schon das zweite Mal, dass Luain mac Calma das Thema der Elternschaft erwähnte, und obgleich er für einen langen und sehr zerbrechlichen Augenblick in der Gefahr schwebte, durch Valerius’ Schwert umzukommen, so starb er letztendlich doch nicht.
    Schließlich zog das Schwert in Valerius’ Hand sich ein klein wenig von mac Calmas Hals zurück, so dass die Spitze kein Blut mehr hervortreten ließ. Nachdenklich, misstrauisch und mit einer Unmenge an unausgesprochenen Dingen in seinem Hinterkopf erwiderte Valerius: »Wer bestimmt darüber, wann die Heilung abgeschlossen ist?«
    Luain mac Calma lächelte zwar nicht, aber dafür war die Anstrengung, die es ihn kostete, dieses Lächeln zurückzuhalten, nicht zu übersehen. »Ich bestimme das. Aber ich werde nicht zu viel verlangen. An dem Tag, an dem Bellos stehen, sein eigenes Schwert heben und damit zwei deiner Schläge parieren kann, ohne die Waffe fallen zu lassen, an dem Tag will ich zustimmen, dass er geheilt ist und dass du nicht länger an mich gebunden bist.«
    »Und wenn er stirbt, bevor es dazu kommt?«
    »Wenn er stirbt, dann bist du natürlich ebenfalls frei.«

X
     
    Der Winter im ersten Jahr nach der Rückkehr der Bodicea zu den Eceni war nicht übermäßig streng, und doch versperrte der Schnee über vier ganze Monate die größeren Handelsstraßen, zum Schluss sogar die schmalen Pfade, bis letztlich sämtliche Siedlungen voneinander isoliert waren; und mit einem Mal - wie Tagos es ihr bereits vorausgesagt hatte - verstand Breaca, warum ihr Volk den Mut zum Kämpfen verloren hatte.
    Die Alten waren als Erste gestorben, waren bereits in den Anfangsmonaten des Winters dahingerafft worden von der Kälte, einer Krankheit, dem Hunger oder auch einer Verbindung aus allen dreien. Unter den Toten waren auch acht von jenen, die einst die geheime Versammlung auf der Lichtung besucht hatten; acht Menschen weniger, die die Rückkehr der Bodicea für gut geheißen hatten; acht, die fortan nicht mehr zu den Versammlungen der Krieger erscheinen würden, die den Kämpfern keinen Mut mehr einflößen konnten.
    Und für eine Weile besaß ihr Tod in der Tat eine gewisse Bedeutung; so als ob der Verlust dieser Menschen bei einem bis dahin noch überhaupt nicht aufgestellten Schlachtplan den Ausschlag geben könnte. Doch dann begannen auch die Kinder zu Grunde zu gehen, etwas, was in all den Jahren vor der Invasion noch nie vorgekommen war, bis zuletzt sogar die Menschen mittleren Alters folgten, jene, die doch eigentlich stark genug hätten sein müssen, um jegliche Winterkälte zu überleben, egal, wie streng diese auch sein mochte.
    All das ähnelte viel zu sehr der Vision der Ahnin. Denn alles, was die Stämme vielleicht noch über den Winter hätte retten können, nahm Rom an sich, zur Begleichung der Steuern, bis die Legionen

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