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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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vervollkommnen, die Klingen der Krieger zerstört hatten. Unter den Träumern aber existierte der Brauch, die Waffen von überführten Verrätern entzweizubrechen, und diesen Brauch hatte es schon seit vielen, vielen Generationen gegeben, bevor die Legionen anlandeten; das Eisen war bloß das Erste, was in solchen Fällen zerbrochen wurde. Denn das Sterben dieser Menschen war stets ein langsames, und lange Zeit und ungeschützt lag die Seele eines Verräters offen, ehe der Tod sie endlich erlöste. Kein Stamm nahm einen Verrat jemals leichtfertig hin.
    Dieser Mann hier war zwar rasch gestorben, was in den Zeiten vor dem Einmarsch Roms anders verlaufen wäre, doch der Grund für seinen Tod hätte nicht offensichtlicher sein können.
    »Ein Verräter.« Cunomar legte die beiden Hälften der Speerklinge auf die gleiche Art wieder zusammen, wie Breaca mit dem Messer verfahren war. »Wer war er?«
    »Einer, den wir besser von Anfang an im Auge hätten behalten sollen, vermute ich.«
    Breaca schob die Hand unter den zerfressenen Schädel und hob ihn an. Die linke Hälfte des Gesichts war verschwunden, in den Kieferknochen waren aber noch die Einprägungen der Zahnwurzeln zu erkennen. Beide Augenhöhlen waren sauber ausgefressen, und am Hinterkopf, dort, wo der Haarschopf endete und in die nackte Haut überging, waren kleine Büschel von rötlichem Haar ausgerissen worden. Was von seinem Fleisch noch übrig war, hing locker am Knochen und verwischte die Gesichtszüge zu einer Karikatur jenes übererregten Kriegers, der damals bei der Versammlung der Ältesten auf einen Baumstumpf gesprungen war, seine Stimme über den Lärm erhoben hatte und die Bodicea wieder dorthin hatte zurückschicken wollen, wo sie hergekommen war.
    Breaca kannte zwar nicht seinen Namen, doch sein Gesicht zu vergessen war unmöglich - denn ein Krieger, der seine Meinung so glühend verteidigt hatte wie dieser hier, hätte Breaca und ihre Familie trotz des Misserfolgs seiner ersten Rede sicherlich noch nicht so schnell in Ruhe gelassen.
    Noch im Wald, bei der Versammlung der Ältesten, hatte sie bereits gefragt: »Und wie lange wird es dauern, bis irgendeiner aus deinem Haushalt uns verrät?« Und Tagos, ganz entspannt, hatte lediglich entgegnet: »Ich glaube nicht, dass uns irgendeiner verraten würde. Aber wenn ich mich irren sollte, müsste ich auf alle Fälle mit dir sterben.« Breaca hatte ihn damals beim Wort genommen, was sehr leichtsinnig gewesen war.
    »Ich habe den ganzen Winter damit verbracht, mir Sorgen darüber zu machen, wie wir eine Armee auf die Beine stellen sollen, während der hier«, sie öffnete ihre Hand, und der Kopf, nur noch locker mit dem Rumpf verbunden, fiel zurück, »die Zeit dafür verwendete zu planen, wie er uns an Rom verraten könnte. Sie haben ihm das Genick gebrochen, was noch gnädig war. Ich frage mich, warum.«
    »Und vor allem wer?« Cunomar versetzte dem Kopf einen Stoß mit dem Zeh. »Tagos kann ihn nicht getötet haben. Um einem Mann das Genick zu brechen, braucht man zwei Hände, und Tagos hat bloß eine.«
    »Nein.« Selbst in diesem Durcheinander von unbeantworteten Fragen waren einige Dinge von vornherein klar gewesen. »Als der Schnee gerade zu tauen anfing«, antwortete Breaca, »hatte er Gaius und Titus auf die Jagd geschickt. Doch sie kehrten ohne jegliche Jagdausbeute wieder zurück. Da habe ich mich noch verwundert gefragt, weshalb sie trotzdem so zufrieden aussahen.«
    »Das war vor vier Tagen.«
    »Ich weiß. Wenn unser temperamentvoller Verräter es also geschafft haben sollte, Camulodunum mit seinen Neuigkeiten zu erreichen, und bereits wieder auf dem Rückweg war, dann sind wir schon so gut wie tot.«
    Breaca wusch sich die Hände im Schnee. Wie wütende Ratten bissen kleine Eissplitter in ihre Finger. Stone, der merkte, dass Breaca aus irgendeinem Grund beunruhigt war, kam zu ihr herüber, drückte sich an ihren Oberschenkel und wurde herzlich empfangen. Breaca starrte in Richtung Süden, dorthin, wo Weiß auf fleckenloses Blau traf, und sie spürte, wie ihr das Herz bis zum Halse klopfte. In einer Schlacht zu kämpfen war leicht, und ein Teil von ihr sehnte sich bereits danach. Der beherrschendere Teil von ihr aber verlangte, Vorsicht walten zu lassen und sich zu gedulden, die Versammlung der Krieger abzuwarten - und bat um Zeit, Zeit, die ihr womöglich nicht mehr gewährt werden würde.
    »Was meinst du, ob die Legionen wohl auch über so hohen Schnee marschieren können?«
    »Wenn man

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