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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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schließlich ein Land zurückließen, das völlig ausgemergelt war, zu stark abgeweidet und zu häufig bejagt. Die Menschen waren dünn wie Gerippe, und wenn ihre Kinder wie in der Vision tatsächlich Getreide geweint hätten, so hätten ihre Eltern es mit Dankbarkeit gegessen. Mit jedem neuen Todesfall nahm die Dringlichkeit zu, endlich eine Armee aufzustellen und die römischen Parasiten aus dem Land zu vertreiben. Doch mit jedem Todesfall schwand auch der Mut der Menschen und wurde ihr Wille zu kämpfen noch weiter untergraben.
    Im Frühling, als der Schnee langsam wieder zu tauen begann und sowohl die Dringlichkeit als auch das Unvermögen zu kämpfen gleichermaßen groß waren, bereitete Breaca dem unaufhörlichen Kreisen ihrer Gedanken ein Ende, indem sie kurzerhand ihren Sohn, ihren Hund und ihren Speer nahm und auf die Jagd ging; denn das war das Beste und Sinnvollste, was sie im Augenblick tun konnte.
     
    »Hier!«
    Wie unter den Fellen eines Nachtlagers lag die Leiche unter einer Handbreit tauenden Schnees verborgen. Lediglich die Spitze des einen schräg aufgestellten Ellenbogens ragte daraus hervor und warf längliche Schatten über die weiße Decke. Stone war es, der die Leiche fand und sogleich dumpf bellend in die Schneewehe eintauchte.
    »Cunomar! Hier drüben!«
    Breaca ließ ihre Jagdtasche fallen, wandte sich von dem Pfad ab und stieg seitlich in das noch unberührte Gelände hinunter. Sie sank bis zu den Knien in den Schnee ein, und das stumpfe Ende ihres Jagdspeers diente ihr als Stütze, während sie sich Schritt für Schritt einen Weg durch die weiße Masse bahnte. Ermutigt verfiel der große, schieferblaue Hund in Schweigen und begann in einem Taumel endlich überwundener Frustration, in den Schnee zu beißen und sich der Länge nach hineinzuwerfen. Für ihn war der Winter nicht weniger hart gewesen als für Breaca, und ebenso überbordend war seine Freude, nun endlich wieder draußen im Freien herumtollen zu können.
    Der Kern der Schneewehe war schon weggeschmolzen; denn trotz der Eiskruste, durch die Stone gerade hindurchbrach, nagte die Wärme des Frühlings bereits an dem Schneesockel. Der Hund buddelte mit Matsch durchsetzte Schneeklumpen aus, schleuderte sie hinter sich und ließ damit in dem strahlenden Sonnenlicht einen kleinen Regenschauer niederrieseln.
    Breaca stützte sich auf ihren Speer und ließ Stone weiter seinem Vergnügen nachgehen, während sie beobachtete, wie langsam ein Mann freigelegt wurde, der aussah, als ob er lediglich schliefe, wären da nicht bereits die Ratten und Krähen gewesen, die ihn noch vor dem letzten Schneesturm entdeckt haben mussten, so dass ihm die Augen fehlten und Teile seiner Wange der Kälte geöffnet waren. Er war gut gekleidet; weder sein Umhang noch seine Tunika waren ihm genommen worden. Und das in einer Zeit, da die Kälte die meisten Todesopfer forderte und man die Verstorbenen üblicherweise erst einmal entkleidete, ehe ihre Körper den Göttern übergeben wurden. Auch hatte man ihn nicht wegen seines Reichtums getötet; knapp über seinem Ellenbogen war in einem etwas schrägen Winkel ein Armreif festgefroren, gefertigt aus dem gelblichen Gold der Silurer.
    Stone winselte und stupste das Gesicht des Toten an. Breaca legte eine Hand auf die Schulterblätter des Hundes und schob ihn sanft fort. »Lass ihn in Ruhe. Unsere Hilfe kann ihn nicht mehr erreichen. Diesem hier konnte ohnehin niemand mehr helfen, noch ehe er starb.«
    »Wem konnte niemand mehr - oh...«
    Inzwischen hatte auch Cunomar sich seinen Weg durch die Schneeverwehungen gebahnt. Schwer atmend blieb er an Breacas Schulter stehen. Der dampfende Atem, den er ausstieß, stieg in kleinen Kräuseln um sie herum auf, und die harsche Kälte des Tages verschwamm für einen Augenblick. Cunomar war den Winter über noch etwas gewachsen, so dass sein Scheitel mittlerweile höher lag als Breacas Schulter und es noch schwieriger geworden war, ihm in die Augen zu schauen.
    Er wollte sich gerade an seiner Mutter vorbeidrängen, erinnerte sich dann jedoch eines Besseren und fragte stattdessen: »Darf ich mal sehen?«
    »Natürlich.«
    Er kniete sich hin und betastete die Armspange und das zerfetzte Gesicht. Breaca beobachtete ihren Sohn, wie dieser die verschiedenen Anhaltspunkte registrierte und über sie nachdachte, und das alles auf eine Art und Weise, wie er es zuvor noch nicht getan hätte. Von all ihren Familienmitgliedern hatten die sechs Monate im Land der Eceni Cunomar am stärksten

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