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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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erfuhr er von Frau Fuchs, dass
Schafmann nach wie vor im Dienst sei, und ließ sich gleich durchstellen.
Schwemmer war fast neidisch auf die Konstitution des Kollegen, der offenbar
ganz auf Schlaf verzichten konnte. Aber der hatte ja auch keinen Schlag auf die
Schläfe bekommen, wie Schwemmer sich vor sich selber rechtfertigte.
    »Habt ihr ihn gefunden?«, fragte er, sobald Schafmann
sich meldete.
    »Ja«, antwortete Schafmann ernst. »Er lag nicht weit
von dem Fahrrad entfernt. Zwei Schusswunden in der Herzgegend, eine in der
Stirn. Dann hat man ihn den Hang runtergeworfen. Ohne gezielte Suche hätte er
vielleicht Monate da gelegen.«
    »Ist es Oliver Speck?«
    »Ja. Frau Kindel hat ihn auf einem Foto erkannt.«
    »Ist sie da?«
    »Nicht mehr. Ich hab sie erst mal nach Hause
geschickt. Es geht ihr nicht gut.«
    »Was ist mit meiner Waffe?«
    »Nix.«
    »Das kann doch nicht sein! Die muss da liegen!«
    »Die Kollegen suchen den Hang ab.«
    »Gut … Ist die Isenwald noch da?«
    »Ja …« Schafmann klang plötzlich verhalten, als könne
er nicht offen reden. »Aber nicht nur«, sagte er.
    »Was?«, fragte Schwemmer.
    »Kommst du heut noch rein?«, erhielt er zur Antwort.
    Eine so ungewohnt unklare Antwort konnte nichts allzu
Gutes bedeuten, und so wie er ihn verstand, meinte Schafmann: Komm auf jeden
Fall, und zwar so schnell es geht.
    »Ich bin unterwegs«, sagte Schwemmer also und legte
auf.
    Hastig trank er seinen Kaffee aus, verbrannte sich
dabei die Zunge, ging dann wieder ins Bad, um sich zu rasieren.
    Als er gerade dabei war, die Blutung einer
Schnittwunde über dem Kinn zu stillen, hörte er Burgl unten die Tür
aufschließen. Sie bemerkte sofort, dass er auf war, und kam die Treppe hoch.
    Eine Weile lehnte sie im Türrahmen und sah ihn an.
Dann schüttelte sie mitleidig den Kopf.
    »Du siehst schrecklich aus«, sagte sie.
    »Ich weiß .« Schwemmer schob das Kinn vor, um zu
überprüfen, ob es noch blutete, und fuhr dann mit der Rasur fort.
    »Willst du ins Büro?«
    »Ich muss. Wir haben einen Mordfall.«
    Sie trat hinter ihn und massierte ihm die Schultern.
    »Du Armer«, murmelte sie und küsste ihn in den Nacken.
»Ich hab nicht alles verstanden, was du heut Morgen erzählt hast, du bist ja
wie ohnmächtig ins Bett gefallen. Wo hast du dir den Kopf gestoßen?«
    »Im Auto.«
    »Und wo ist unser Auto?«
    Schwemmer schnitt sich ein zweites Mal.
»Herrschaftszeiten!«
    Burgl nahm ein Tissue aus der Pappschachtel auf ihrem
Schminkschränkchen und tupfte das Blut weg.
    »Der Wagen ist hin«, sagte Schwemmer und drehte sich
zu ihr um. »Ich hab ihn kaputt gefahren, gestern Nacht. An der Brücke übern
Lahnenwiesgraben«
    »Oh …«
    »Tut mir leid.«
    »Ich wollt eigentlich heut nach Augsburg damit,
weißt?« Sie tupfte ihm weiter das Blut ab.
    »Ich kann’s nicht ändern.«
    »Ich weiß …« Sie küsste ihn auf den Mund, dann massierte
sie weiter seinen Nacken.
    »Was ist denn überhaupt passiert?«, fragte sie.
    »Ich bin Querfeldeinrennen gefahren«, sagte Schwemmer.
»Und hab verloren.«
    Im Spiegel zeigte sie ihm ihr spitzbübisches Lächeln,
das er so liebte.
    »Heißt das, ich krieg jetzt den Einser?«, fragte sie.
    * * *
    Obwohl Burgl ihn natürlich am liebsten zu Hause
behalten hätte, saß er um dreizehn Uhr an seinem Schreibtisch. Der frische
Verband, den Burgl ihm angelegt hatte, konnte Frau Fuchs allerdings genauso
wenig über seine angeschlagene Gesamtkonstitution hinwegtäuschen wie der
Rasierwasserduft, der ihn umwehte. Das zeigte ihm ihre besorgte Miene. Er
orderte viel Kaffee und Kopfschmerztabletten.
    Schafmann saß in seinem Büro und sah entschieden
besser aus als er, nur schlechter rasiert, wie Schwemmer feststellte, als er
nach kurzem Klopfen eintrat.
    An der Fensterbank lehnte ein ihm unbekannter Mann,
der eher nachlässigen als lässigen Haltung nach wahrscheinlich ein Kollege. Er
war groß und kräftig, trug einen dichten, dunkelblonden Bürstenschnitt auf
einem auffällig kantigen Schädel und einen Anzug, der wohl einmal teuer gewesen
war, wenngleich das eine Weile her sein durfte. Sein Gesicht war im Gegenlicht
nur vage zu erkennen.
    »Das ist EKHK Schwemmer«, stellte Schafmann ihn dem Mann vor. » EKHK Bredemaier, BKA .«
    » BKA ?«
Schwemmer sah von Bredemaier zu Schafmann und wieder zurück. »Womit haben wir
das denn verdient?«
    »Darüber würde ich gern mit Ihnen unter vier Augen
reden«, sagte Bredemaier in einem beeindruckenden Bariton. In Amerika hätte

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