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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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unten am Hang
bellen.
    Es herrschte noch dunkelgraue Dämmerung hier im
Unterholz. Einer der KDD -Männer
hantierte mit einem Fotoapparat. Schwemmer konnte erst, als er nah heran war,
erkennen, was dort lag.
    Er gelang ihm nicht, seine Enttäuschung zu verbergen.
Ein rotes Mountainbike lag dort inmitten von Farnkraut.
    »Dafür kraxl ich hier runter«, murrte er.
    Schafmann machte eine beschwichtigende Geste. Dann
zeigte er den Hang hinauf.
    »Dürfte da runtergeworfen worden sein. Und schau dir
mal das da auf dem Sattelrohr an …«
    Er wies auf einen runden, rotschwarzen Sticker, kaum
zu lesen, nicht nur wegen der Krümmung des Rohres, sondern auch wegen der
verzerrten Buchstaben.
    Schwemmer beugte sich hinunter, um besser sehen zu
können. »Rattenbrigade – Fucking Bavarian Grindcore«, entzifferte er endlich.
    Als er sich wieder aufrichtete, wurde ihm schwindlig.
Er fasste sich an die Schläfe und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
    Aber Schafmann war es nicht entgangen. »Ich denke, wir
kommen hier auch ohne dich klar«, sagte er.
    »Es geht schon wieder«, sagte Schwemmer, aber seine
Aussprache strafte ihn Lügen.
    »Kommissar Schröder«, sagte Schafmann zu dem
kräftigeren der beiden Kollegen. »Seien Sie bitte so nett und begleiten Sie den EKHK wieder nach oben.«
    »Es geht schon wieder«, wiederholte Schwemmer nur.
Immerhin hatte er jetzt seine Zunge vollständig unter Kontrolle.
    »Geh einfach ins Bett. Hier läuft alles, wie es sein
muss.«
    »Nein, nein. Bei mir ist alles bestens.«
    Schafmann schüttelte den Kopf. Dann sah er auf seine
Armbanduhr. »Ein Argument hab ich noch«, sagte er mit einem halben Grinsen. »Es
ist bald acht.«
    »Und?«, fragte Schwemmer.
    »Du weißt, was das bedeutet …«
    »Was?«
    »Tja«, sagte Schafmann. »So gegen acht rechne ich
eigentlich mit Besuch. Eine spezielle Freundin von dir. Fängt mit ›I‹ an und
hört mit ›Wald‹ auf.«
    »Ich muss ins Bett«, sagte Schwemmer.
    »Sag ich doch«, meinte Schafmann.
    * * *
    Severin kam tatsächlich vor Danni zum Frühstück
herunter.
    »Und?«, fragte er.
    »Nix«, sagte Johanna.
    »De habn nicht angerufen?«
    Johanna schüttelte den Kopf und stellte das
Nutella-Glas auf den Tisch.
    Severin strich schweigend Margarine und dann die
Nougatcreme auf sein Brot. Beide hingen ihren Gedanken nach.
    Severin dachte an die Schule und was Schibbsie und
Girgl wohl zu sagen haben würden.
    Johanna dachte an den Satz, den sie geträumt hatte. Gott
war fort . Am liebsten hätte sie geweint, aber das hatte sie schon, allein
in ihrem Bett. Diesen Satz durfte sie nicht einmal träumen. Gott war nicht
fort. Er prüfte sie, das war ihr Schicksal, aber er hatte sie nicht verlassen.
Er durfte sie nicht verlassen. Weil sie sonst nämlich wirklich niemanden mehr
hatte. Dann wäre sie wirklich allein.
    Allein mit dem Adler.
    Sie zog die Nase hoch und räusperte sich.
    »Seve«, sagte sie leise. »Hast heut wieder Probn?«
    »Ja. Nach der Schul.«
    »I … i wollt fragn, ob du des ned amoi ausfalln lassn
könntst?«
    »Warum?«
    »I moan, jetzt, wo mir ned wissn, was los is mit dem
Spacko. Und de zwoa andern, wo de doch mit dabei san, wie du gsagt hast …«
    Severin kaute auf der Unterlippe. »Was soll i dene
denn sagn?«
    »Schaug halt amoi, was dir einfällt. Lügst mi ja a oft
gnug an.«
    Severin sah empört auf, aber als er ihr liebevolles,
trauriges Lächeln sah, senkte er den Kopf.
    »Bitte. Für mi. Ja?«
    Severin nickte, ohne sie anzusehen. »Wann gehst zur
Polizei?«, fragte er.
    »Gleich, wenn ihr zwoa zur Schul seid.«
    Als Danni fröhlich die Treppe heruntergepoltert kam,
versuchten sie beide, ihre Bedrücktheit zu überspielen, aber Danni ließ sich
nicht täuschen.
    »Warum warts ihr so lang auf?«, fragte sie, kaum dass
sie auf ihrem Platz saß.
    »Mir ham ferngschaut«, sagte Johanna leichthin.
    »So spät noch? Was kam denn?«
    »Tierfilm«, sagte Severin.
    »Glaub i ned.« Danni rührte Kakaopulver in ihre Milch.
»Warum bist überhaupt schon auf?«
    »Derf i des ned?«, maulte Severin.
    »Streitets ned. Scho gar ned beim Frühstück.«
    Danni zog eine beleidigte Schnute und nahm eine
Brotscheibe aus dem Korb.
    »I bin weg«, sagte Severin, und Johanna registrierte
mit einiger Erleichterung, dass er den Rucksack mit seinem Bass an der
Garderobe stehen ließ.
    Danni sah sie schräg von unten an, sagte aber nichts.
    »Was schaugst?«
    »Ihr seids beide so komisch«, sagte Danni und biss in
ihr Käsebrot. »Ist das

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