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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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wegen der Frau? Die gestern hier war, mein i?«
    Johanna setzte sich langsam. Sie war müde und
erschöpft, und sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Danni sah sie
forschend an.
    »Bist krank?«, fragte sie.
    »Na. I hab nur schlecht gschlafn.«
    »Hast geträumt?«
    Johanna nickte nur.
    »Hast was Schlimmes geträumt?«
    »Jo«, sagte Johanna und konnte einen Seufzer nicht
unterdrücken.
    Danni legte ihr Brot weg. Sie kletterte von der Bank
und kam um den Tisch herum. Dann legte sie ihre kleinen Arme um Johanna.
    »Sind doch nur Träum«, sagte sie leise.
    Johanna drückte ihr Gesicht in die blonden Haare ihrer
Enkelin und konnte die Tränen nicht zurückhalten.
    * * *
    Er stand schon eine Viertelstunde vor Schulbeginn
neben dem Aulaeingang. Der Schulhof füllte sich mit jeder Minute. Severin hielt
das Schulhoftor im Blick, aber weder Girgl noch Schibbsie tauchten auf. Er
hatte heute keine Stunden mit Girgl zusammen, und Schibbsie war sowieso in der
Dreizehnten. Er musste sie hier auf dem Schulhof abpassen.
    Inga betrat den Hof. Sie sah ihn sofort, und auch,
dass er sie gesehen hatte. Nach kurzem Zögern warf sie den Kopf in den Nacken
und steuerte auf ihn zu.
    »Und?«, fragte sie, sobald sie sich vor ihm aufgebaut
hatte. »Heut hast du das Protokoll ja wohl dabei.«
    »Was willstn noch damit? Bio is schon in der Dritten.
Magst des in der Pause abschreibn? Des san fünf Seiten.«
    Er versuchte über ihre Schulter hinweg den Schulhof im
Blick zu behalten.
    »Ich will es gar nicht abschreiben . Ich will es
nur vergleichen«, sagte sie ärgerlich.
    »Von mir aus …« Mit einem resignierten Achselzucken
öffnete er seine Tasche und holte seine Biomappe heraus. Inga nahm sie gnädig
entgegen und stolzierte davon, ohne ein weiteres Wort des Dankes oder der
Erklärung. Severin sah ihr verständnislos nach. Er hatte keine Ahnung, was Inga
bezweckte. Seine Biomappe war nicht gerade das Tollste, was er zu bieten hatte.
Sie hätte genügend andere gefunden, die ihr das Protokoll über die Reaktionen
von Stichlingen auf Wasserverunreinigungen überlassen hätten. Mit Kusshand. Und
noch lieber mit Zungenkuss, dachte Severin grimmig. Vielleicht war es genau das.
Er hatte nie einen Zungenkuss von ihr gefordert. Deshalb kam sie zu ihm, wenn
es dringend war. Er wischte den Gedanken beiseite und hielt weiter nach Girgl
und Schibbsie Ausschau.
    Erst kurz vor dem Gong kam Danni auf den Hof getrabt.
Offenbar hatte sie nur den späten Bus erwischt, so wie es ihm sonst regelmäßig
ging. Sie sah sich kurz um, entdeckte ihren Bruder und lief sofort auf ihn zu.
    Sie rang um Atem, als sie ihn erreicht hatte.
    »Was is?«, fragte Severin und bemühte sich um einen
gleichgültigen Tonfall.
    »Die Großmama weint«, sagte Danni und sah ihn mit
einem hilfesuchenden Kleine-Schwester-Gesicht an, das er eigentlich gar nicht
kannte an ihr.
    »Is nur wegen de Träum«, sagte Severin.
    »Nehmens die Großmama mit?«, fragte Danni.
    »Mitnehmen?« Severin beugte sich zu ihr hinunter und
legte den Arm um sie. »Wie kommstn auf so was?«
    »Die Frau gestern. Die war doch von der Polizei. Und
sag nicht, das stimmt nicht!« Sie sah ihn trotzig an.
    Severin zog seine Papiertaschentücher aus der
Lederjacke und reichte ihr eins. Danni nahm es, putzte sich damit über die
Nase, dann zog sie sie hoch.
    »Niemand nimmt die Großmama mit«, sagte er ernst.
    »Und wenn doch?«
    »Dann schaffn mir zwoa des halt allein«, sagte er
leichthin.
    »Ja«, sagte Danni ernst. Der Blick, mit dem sie ihn
ansah, ließ Severin frösteln. Fast schien es, als sei es für seine kleine
Schwester bereits abgemachte Sache, den Rest ihres Lebens ohne erwachsene
Verwandte verbringen zu müssen. Und sie war entschlossen, es zu schaffen.
    Der Gong läutete, und Danni drehte sich ohne ein
weiteres Wort um und ging zum Eingang.
    Severin hatte weder Schibbsie noch Girgl zu Gesicht
bekommen. Als er gerade seine Tasche aufnehmen und Danni folgen wollte, sah er
Petr am Tor stehen. Er schien auf jemanden zu warten.
    * * *
    Kommissar Schafmann hatte sie die Treppe
hinunterbegleitet und ihr die Tür zum Parkplatz aufgehalten.
    »Soll Sie nicht doch lieber ein Kollege heimfahren?«,
hatte er noch gefragt.
    Aber Johanna hatte abgelehnt. Sie spürte Schafmanns
Blicke im Nacken, während sie auf ihren Nissan zuging, sich tapfer gerade
haltend, die Tränen unterdrückend. Erst als sie den Motor anließ und zur
Ausfahrt rollte, ließ Schafmann die Glastür ins Schloss fallen.
    Spacko,

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