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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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scheute sich, davon zu sprechen. »Darüber . habe ich noch nicht nachgedacht«, stammelte er. Während seiner Kindheit in Frankreich hatte man hinter vorgehaltener Hand von Männern geflüstert, die der Liebe anderer Männer den Vorzug gaben. Doch für ihn, der den Unterschied zwischen den Geschlechtern durchaus zu würdigen wusste, war bei zwei Männern einer zu viel.
    Dion stand auf.
    »Deinem Schweigen hatte ich bereits entnommen, dass du es nicht getan hast.« Er trat näher, und Cheftu merkte, wie er sich abweisend aufrichtete. »Was findest du so widerwärtig daran, Cheftu? Ist nicht ein Mund ein Mund und ein Gefäß ein Gefäß?«
    Cheftu hätte beinahe laut aufgelacht, weil er sich Chloes Reaktion auf die Bezeichnung als »Gefäß« ausmalte. Das gab ihm sein inneres Gleichgewicht zurück. »Ich bezweifle, dass dies bei einer Prüfung als Spiralenmeister ein Thema sein wird«, meinte er lächelnd. »Vielleicht sollten wir lieber über jene Dinge sprechen, die wichtig sein könnten?« Er blickte kurz aus dem Fenster, um die Tageszeit abzuschätzen. »Ich habe weniger als zwanzig Dekane, um alles zu lernen, was Spiralenmeister sein Leben lang studiert hat. Ich muss gestehen, dass ich mich ein wenig überfordert fühle.«
    Dion lachte und schlug Cheftu auf die Schulter. »Lass uns erst in die Bibliothek und dann ins Laboratorium gehen!«
    Chloe wartete geduldig auf eine Nachricht von Cheftu.
    Nichts kam.
    Nachdem sie von ihrem Training mit Atenis zurückgekehrt war, ließ sie sich in die Wanne fallen, danach eilig massieren und ankleiden und sorgte schließlich dafür, dass Wein und Obst kühl- und bereitgestellt wurden. Die Sonne segelte weiter und weiter nach Westen, während Chloe unverwandt aus dem Fenster blickte und müßig mit den Fingern auf den Fenstersims trommelte.
    Als die Sonne schließlich unterging, kochte sie vor Wut.
    Selena brachte ihr Wein.
    »Ich habe gehört, der neue Spiralenmeister hat sich seit der Morgendämmerung mit Dion eingeschlossen.«
    Chloe hätte sich für ihre Blödheit ohrfeigen können! Morgen würde man ihn prüfen! Plötzlich wandelte sich ihr Zorn in Angst.
    »Ich hoffe sehr für den Ägypter, dass sie auch wirklich Studien getrieben haben«, meinte Selena schüchtern.
    »Was geschieht, wenn er, äh, nicht besteht?«
    »Das weißt du doch, Sibylla. Er stirbt im Labyrinth.«
    O Gott. »Ich finde es ungerecht, dass er sich nur einen Tag für ein Amt vorbereiten kann, um das er nicht gebeten hat, und mit dem Tod bestraft wird, falls er versagt.«
    Selena zuckte mit den Achseln. »Die Priester in der Pyramide hüten ihre Geheimnisse eifersüchtig. Niemand kann sich dort hineinwagen und hoffen, lebend wieder herauszukommen, ohne dass er einer der ihren geworden wäre.«
    Cheftu hatte ihr früher einmal erzählt, dass er in Karnak in viele der Geheimnisse Amuns eingeweiht worden sei, durch die Bank streng geheime Rituale der Priesterschaft. Vielleicht hatte man hier dieselben Rituale? Bitte, lieber Gott, bitte hilf ihm, dachte sie. Braucht er mich?
    Die Antwort kam nicht von außen, sie kam von innen. Tief in ihrem Herzen begriff Chloe, dass sie Cheftu Kraft gab, dass sie ihm Auftrieb und Zuversicht verlieh. Ob man es nun als glückliche Fügung, Seelenverwandtschaft oder schlicht und einfach als Glück bezeichnete, sie brauchten einander. Er brauchte sie, um das hier zu überleben. Mikrosekunden später beschwerte sich Sibylla über Kopfschmerzen, verweigerte sämtliche von Selena angebotenen Tees und Kräuter und verriegelte wenig später die Tür hinter ihrer wohlmeinenden Freundin und der Leibeigenen.
    Nachdem sie aus Sibyllas Geist den Lageplan des Palastes organisiert hatte, schlich sich Chloe in den Gang. Was ihren Orientierungssinn anging, konnte sich Cheftu genauso gut auf dem Mond befinden, doch sie würde ihn finden, sie würde zu ihm gelangen. Und früher habe ich mich immer über die vielen Einbahnstraßen in Dallas beschwert, dachte sie bei sich.
    Einen Dekan später klopfte sie an seine Tür.
    Ein Leibeigener öffnete ihr, und Chloe merkte, dass ihr die richtigen Worte fehlten. Den Schal tief über den Kopf und ins Gesicht gezogen, blinzelte sie dem Leibeigenen zu. »Sag deinem Herrn, seine chérie ist hier.« Sie hoffte, fremdländisch zu klingen.
    Sekunden später war er an der Tür, und Chloe musste unter ihrer Kostümierung lächeln, als sie den Puls in seinem Hals schneller schlagen sah. Er schickte den Leibeigenen fort, ohne ihn eines weiteren Blickes zu

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