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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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voneinander getrennt, doch da sie nicht gegen irgendwelche aztlantischen Etikette verstoßen wollten, hatten sie es für das Beste gehalten.
    Cheftu hatte sie zu ihrer Tür gebracht und hatte nicht weniger als fünfmal kehrtgemacht, um sie zu küssen, wobei jeder Kuss länger und intensiver gewesen war, seinen Schwüren zum Trotz, er sei über den Tod hinaus erschöpft. Gut, dachte Chloe.
    Das war sie bei Gott auch!
    Sie war eben wieder in eine Traumphase abgesackt, als sie von einer Hand auf ihrer Schulter aus dem Schlaf gerissen wurde. Mit klopfendem Herzen und vollkommen durcheinander fuhr Chloe hoch. Bemüht, die Besitzerin der Hand einzuordnen, blinzelte sie zu ihr auf.
    »Ich habe dich dreimal angesprochen«, sagte die Frau.
    Sie war groß und unauffällig. Bis auf die riesigen, dicht bewimperten Augen, die so hellgrau leuchteten, dass es fast silbrig wirkte, war sie einfach ... da. Die bunten Kleider hingen an ihr herab wie Sackleinen. Ihr langes, grausträhniges Haar hatte sie um den Kopf geschlagen und wie das einer altdeutschen Kellnerin frisiert. »Sibylla?«, fragte sie wieder.
    Richtig! Man brauchte sie nur im Geist mit Schlamm und Tränen und Blut zu überziehen, und schon hatte man die Frau, die ihre Leute hergeliehen hatte, um auf Naxos Hilfe zu leisten.
    »Entschuldige, Atenis«, sagte Chloe. »Ich fürchte, ich habe zu tief geschlafen.«
    Atenis ließ sich auf der Bettkante nieder. »Du bist erst spät auf eine Liege gekommen?«
    »O ja. Sehr spät.«
    Die Frau lächelte. Güte und Freundlichkeit brachten ihr ganzes Gesicht zum Glühen, bis das Licht aus ihr zu strahlen schien wie aus einem Prisma. »Eher sehr früh heute Morgen. Ich war in der Morgendämmerung schon einmal hier, aber du warst nicht da, und deine Leibeigene erklärte mir, dass du noch nicht heimgekommen wärst.«
    Chloe spürte, wie sie rot wurde.
    »Soll ich mal herumfragen, wer sonst noch so spät heimgekommen ist?« Chloe wurde noch röter, und Atenis lachte. »Nur ein kleiner Scherz am Morgen, Schwester. Mir war nicht nach Lachen zu Mute, seit Arachne -« Sie brach ab und wandte den Blick ab, eine Hand auf dem Sippensiegel an ihrem Hals. »Um die Wahrheit zu sagen, bin ich gekommen, um dir meine Dienste anzubieten.«
    O Kela, schenk mir Kaffee! »Deine Dienste?«
    »Ich werde nicht gegen Ileana antreten, aber ich verstehe zu laufen und zu gewinnen. Ich kann es dich lehren.«
    »Wieso ausgerechnet mich?«
    Atenis runzelte verdutzt die Stirn und zuckte mit den Achseln. »Vena ist ... mir unerträglich. Ihre Frivolität ist für mich wie ein Salzbad auf abgeschürfter Haut.« Eine grausame Vorstellung, musste Chloe ihr zugestehen. »Selena ist mir eine gute Freundin, doch ihre Mutter ist eine besitzergreifende, unehrliche Kreatur.« Sie lächelte erneut. »Du würdest mit Phoebus ein wunderschönes Baby zeugen.«
    Baby.
    Trug sie schon jetzt Cheftus Baby in ihrem Leib? Sie hatte an diesem Morgen keinerlei Samen zur Verhütung eingenommen. Kannten diese Leute, diese Quasi-Minoer, überhaupt Verhütungsmittel? Chloe errötete erneut.
    »Ich habe gehört, du hast die ersten vier Wettläufe gewonnen, an denen du teilgenommen hast. Ich kenne ein paar von den Läuferinnen, wenigstens vom Hörensagen, und ich bin durchaus beeindruckt. Du hast nie zuvor einen Drang nach sportlicher Betätigung gezeigt.«
    Wie hätte Sibylla auch einen Drang nach sportlicher Betäti-gung zeigen können, wenn sie in einer Welt lebte, wo die Entfernungen nach dem Flug der Krähe und dem Auf- und Abklettern der Ziegen bemessen wurden? Chloe unterdrückte ein Gähnen. »Klingt gut. Danke.« Langsam begann sie zurückzusinken, um laut aufzuquietschen, als Atenis die Decken zurückriss.
    »Dann komm mit.«
    »Jetzt?«
    »Du hast weniger als drei Mondzyklen, um zu lernen, wie du gewinnen, wie du Ileana schlagen kannst. Ich versichere dir, sie übt bereits jetzt und wird den Nachmittag ebenfalls damit zubringen. Jetzt!«
    Ich hasse Laufen, dachte Chloe, während sie sich mit verzogenem Gesicht hochkämpfte. Ich hasse, hasse es.
    Cheftu hatte keinen Schlaf gefunden, darum hatte er nach einem Bad und einer Rasur sowie mit ruhigem, befriedigtem Körper im Schriftenraum gefrühstückt. Er hatte gerade eine Abhandlung über den menschlichen Kreislauf zu Ende gelesen, als Dions Besuch angekündigt wurde.
    Nach der traditionellen Begrüßung (Cheftu verstand immer noch nicht, woher seine plötzlichen Sprachfähigkeiten gekommen waren; war es ein Zeichen der Zustimmung,

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