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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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eine angenehme Unterbrechung, überlegte sie.
    Keine Studenten, keine Leichen, nur Freizeit.
    Als sie sich von seinem Körper löste, fiel ihr auf, dass er aufgehört hatte, sich wie ein Ägypter zu rasieren. Andere Länder, andere Sitten? Chloe griente, stand auf und deckte Cheftu zu. Sie würde Selena besuchen, die durch ihr neues Amt fast zum Wahnsinn getrieben wurde. Dann würde sie sich mit den Menschen aus Sibyllas Sippe treffen, die ohnehin nie mehr als »nur ein kurzes Gespräch« wollten.
    Sie hatte keinerlei Erinnerung an Sibyllas Aufgaben als Sippenoberhaupt. Sibylla selbst war verschwunden.
    Offensichtlich hatte Chloe die andere in sich aufgenommen, auch wenn es nicht gerade schmeichelhaft war, sich selbst als psychischen Vampir zu sehen. Sie küsste ihren Ehemann auf die Stirn und schlüpfte aus der Doppeltür.
    »Denk an heute Abend«, flüsterte sie. Er brummelte etwas, und Chloe lachte.
    Das Megaron war erfüllt von Fackelschein und Blütenduft. Die Nacht war heiß, und Chloe spürte, wie sich überall dort, wo sie Cheftu berührte, Schweiß zu bilden begann. Sie sahen so azt-lantisch aus wie alle um sie herum, und Chloe feixte, als sie merkte, welche Anstrengung es Cheftu kostete, seinen Blick oberhalb der Hälse der vielen barbrüstigen Frauen zu halten, die im Raum umherschwirrten.
    Chloe zwirbelte ihm die Haut auf dem Arm, und er schoss einen zornigen Blick auf sie ab. »Schluss damit!«, zischte sie. Er zog die Stirn in Falten und versuchte gleich darauf, möglichst unschuldig dreinzuschauen. »Ich bin deine Frau«, warnte sie ihn. »Ich weiß stets, was du denkst.« Sie traten an ihre jeweiligen Sippentische und trennten sich nach einem knappen Händedruck.
    Das Festmahl war delikat und exquisit: Hummer, Garnelen, Krabben, Tintenfische, Gurken, Feigen ... alles gewürzt und vor ihr arrangiert. Chloe schaute kurz über die Schulter und sah Cheftu an Dions Seite weggehen. Sie wandte sich wieder ihrem Gespräch mit Selena zu. Akrobaten flogen über den Boden, zum Teil den Stier, zum Teil die Stiertänzer darstellend. Sie jonglierten erst mit Trauben, dann mit tönernen Pithoi und schließlich mit zwei von Hreesos neugeborenen Söhnen.
    Der goldene Stier erhob sich, und der Hof verstummte in Ehrfurcht, Bewunderung und Respekt. »Bürger Aztlans! Meine Brüder, meine Schwestern, meine Geliebten!« Damit erntete er ein Lachen. »Männer und Frauen meiner Sippe! Trinken wir auf Kela, die sinnenfrohe Erdgöttin! Heute Nacht wollen wir ihr Leben und ihre Liebe feiern!« Zelos brachte seinen Trinkspruch ebenso lallend wie fröhlich vor. Leibeigene erschienen, um die vielen Rhytone nachzufüllen.
    Die Stimmung war ausgelassen, sinnlich und sorglos. Selena entschuldigte sich, weil sie dem Hengst Adonis nachstellen wollte, einen von Dions abgelegten Liebhabern, weshalb Chloe plötzlich allein zurückblieb, an ihren erkaltenden Meeresfrüchten knabbernd, und sich fragte, wieso sie sich so unzufrieden fühlte. Sie wusste immer noch nicht, weshalb sie hier war. Das hier war mit Ägypten nicht zu vergleichen, sie sah keinerlei Führung, keinen deutlichen Weg. Nur genug Freiheit und Seil, um mich daran aufzuhängen. Es war ein bedrückender Gedanke.
    Als Hreesos’ Blick auf ihr zu liegen kam, schüttelte sie höflich den Kopf. Phoebus neigte den Kopf und drehte sich weg, um die dunkelhaarige Nymphe an seiner Seite zu küssen. Sie war Irmentis wie aus dem Gesicht geschnitten, dachte Chloe.
    Eine leichte Liebkosung an ihrer Schulter lenkte sie ab. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Chloe, als Cheftu sich setzte. »Du warst so lange weg, dass ich schon befürchtet habe, du wärst durch ein Portal geschlüpft und inzwischen im Amerika unter John F. Kennedy angelangt.«
    »Ich wurde gebraucht«, antwortete er, ohne ihren Blick zu erwidern.
    »Gleich werden die Tänzerinnen auftreten«, kündigte sie an. »Die Akrobaten waren gar nicht schlecht. Nicht gerade der Cirque du Soleil, aber durchaus beeindruckend.«
    »Du sprichst in Rätseln«, murmelte er. »Niemandem ist etwas zugestoßen?«, fragte er deutlicher.
    »Na ja, siehst du die große Dame da drüben, die mit dem Ring in ihrer -«
    »Ja, ich sehe sie.«
    »Also, vor dem zweiten Gang hatten sie und der Herr da drüben ein .«
    Tempel tänzerinnen, diesmal allerdings ohne Schlangen, begannen sich vor ihnen zu winden. Die Frauen tanzten um die Feuerstelle in der Mitte des Raumes, wanden und drehten sich, mit vom Kreenos stecknadelkopfgroßen Pupillen. Chloe

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