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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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alte Löwe beugte sich dem Ruf, den er fühlte, und machte sich humpelnd auf den Weg über den Sand, um sein Leben dort zu beenden, wo es begonnen hatte. Um die Mission seiner Ahnen zu erfüllen. Das Geheimnis zu enthüllen.
    Schweiß rann zwischen ihren Brüsten hinab, doch Dr. Camille Kingsley nahm das gar nicht wahr, so wie sie nichts wahrnahm, was sie von ihren Ausgrabungen ablenken könnte.
    In ihren Adern kochte Spannung. Eine Vorfreude, der sie keinen Ausdruck zu verleihen wagte. Sie waren so dicht dran. Sie konnte es riechen; alle ihre Sinne waren in Alarmbereitschaft. So dicht dran, so dicht dran! Das leise Fächeln der Bürsten über dem Stein war in seinem Rhythmus wie Musik. Bitte lass es hier sein, flehte sie blindlings.
    Seit man auf dem Felsen über ihren Köpfen eine eingemeißelte Kartusche gefunden hatte, waren die Mittel für dieses Projekt in Strömen geflossen. Die Ausgrabung war ins Scheinwerferlicht gerückt, weshalb Cammy sich glücklich schätzen konnte, dass sie noch daran teilnehmen durfte. Sie war zwar eine Expertin auf dem Gebiet der frühen achtzehnten Dynastie, doch immer noch eine schlichte Postgraduierte. Zum Glück hatten ihr Aufenthaltsort (sie war bereits in Ägypten) und ihre Rolle bei den ersten Funden (sie war bei den Ausgrabungen dabei gewesen) für sie gesprochen.
    Die gefundene Kartusche war das Zeichen Hatschepsuts, der Pharaonin aus der achtzehnten Dynastie und, wenn man so wollte, einer der mächtigsten Herrscherinnen der Geschichte. Etwas aus ihrer Herrschaftszeit zu finden, war fast ein Wunder und zudem verdächtig. Wieso hatte sie wohl so weit draußen in der östlichen Wüste ihren Namen einmeißeln lassen? Auf diese Frage vermochte niemand eine Antwort zu geben, wenigstens keine, die Sinn ergab.
    Bitte, lass das den Fund meines Lebens sein, dachte Cammy wieder.
    Sie hörte einen der anderen unter dem jahrhundertealten Staub husten, den sie aufgewirbelt hatten. Cammy war vollauf damit beschäftigt, den Staub Schicht um dünne Schicht von der Wand zu fegen und nach dem glatten Verputz zu suchen, den die alten Ägypter hier vor beinahe 3.500 Jahren bemalt hatten. Falls dieser Raum nicht nur als Vorratsraum gedient hatte, hatten die Ägypter die Wände bemalt. Das war damals so üblich gewesen.
    Es war eine gespenstische Höhle. Allem Anschein nach hatte das unterirdische Gewölbe als Löwenfriedhof gedient. Ganze Berge von Knochen waren gefunden und beiseite geräumt worden. In der Kammer selbst war ihre Ägyptologenmannschaft dann auf einige der erstaunlichsten Papyri gestoßen, die je in Ägypten entdeckt worden waren.
    Die riesigen, detaillierten Zeichnungen waren in einem Stil gehalten, der für die alten Ägypter vollkommen untypisch war. Tinte und Papyrus ließen keinen Zweifel zu, dass die Bilder aus der frühen achtzehnten Dynastie stammten. Ganz eindeutig ein Rätsel, das von einem Mysterium umgeben ist, dachte sie. Die Zeichnungen waren derart eigentümlich, derart abwegig, dass die Ausgrabungsleiter geradezu erleichtert waren, als die Gräber des Sohnes von Ramses dem Großen entdeckt wurden und ihre Entdeckung in den Hintergrund rückte. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass es sich bei den Darstellungen um einen ausgefeilten Lausbubenstreich handelte.
    Doch bei der Kartusche nicht.
    Pharao Hatschepsut.
    Während ihrer achtundzwanzigjährigen Regentschaft hatte sie ihrem Volk Frieden, Wohlstand und Handel mit anderen Ländern gebracht. Dann war sie vom Thron gedrängt und, wie man annahm, ermordet worden, doch von wem, blieb Spekulation. Danach hatte ihr Neffe Thutmosis III. den Thron bestiegen. Seine lange, blutige Herrschaft hatte ihn zu einem der größten Eroberer der Menschheitsgeschichte gemacht: dem Napoleon Altägyptens.
    Cammy schob sich die Brille auf dem Nasenrücken nach oben und blinzelte, dann blinzelte sie noch mal.
    Tinte!
    Mit bebenden Händen fegte sie ganz behutsam den Staub beiseite. Darunter kam die hauchdünne Spur einer Linie zum Vorschein. Sie zog die Stirn in Falten. Die Farbe war ungewöhnlich; viel zu dick und ungleichmäßig. Schwer schluckend, fegte sie weiter. Ein dünner Querstrich. Eine zweite Linie, parallel der ersten. Ein paar Tintenpartikel flockten ab, und Cammy musste sich auf die Zunge beißen, um nicht laut zu fluchen. Sie wischte sich das schweißgetränkte Gesicht am staubigen Hemd trocken, dann fegte sie das nächste Stück Wand frei.
    Eine Leiter - im Allgemeinen ein Symbol für den Aufstieg zu Osiris. Das

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