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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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waren den Priestern vorbehalten, das Gehirn allein dem Goldenen und seinem erwählten Hekatai.
    Tausende standen an, um an den Becken vorbeizugehen. Sie sangen Phoebus’ Namen, und er spürte, wie der Wind das Blut auf seinem Körper trocknete, während er aus der Arena schritt.
    Als er in die Dunkelheit des Tunnels trat, klopfte sein Herz immer noch, sein erigiertes Glied pochte, und in seinen Ohren hallte der Klang seines Namens wider. Hreesos Phoebus. Das Blut war bereits zu einer dünnen Haut geronnen, und als er sich unter einem der schwarzen Lavaträger duckte, spürte er, wie der trocknende Überzug platzte.
    Er hatte es geschafft. Er war rechtzeitig gesprungen, seine Kehrtwendung war schnell genug gekommen. Nicht ein einziger Kratzer! Freude stieg in ihm auf wie eine Luftblase im Wasser, und er wurde beinahe verrückt, so verzehrte er sich nach einer Frau. In der Ferne sah er einen Priester; ob der wohl wüsste, wo er die nächste Tempeltänzerin fand?
    Wenn es nur Irmentis wäre, die ihren Körper seinem Blick darbieten, aus deren Augen es einladend leuchten würde.
    Der Priester nahm Phoebus am blutverklebten Handgelenk und führte ihn an eine leere Wand.
    Mit einer verstohlenen Bewegung drückte der Priester auf einen Teil des Steines, und ein leises Sirren hallte durch den schwarzen Tunnel. Vor Phoebus’ Augen öffnete sich ein noch dunklerer Fleck. Sie traten hinein und begannen, aufwärts zu gehen. Kurz darauf senkte sich der Boden abwärts.
    Phoebus sah absolut nichts; er hatte die Hände auf die Schultern des vorangehenden Priesters gelegt und spürte nur die Veränderungen im Boden. Als sie, wie es Phoebus schien, mehrere Sonnendrehungen lang gegangen waren, hielt der Priester an.
    Immer noch hatte er kein einziges Wort gesprochen.
    Noch ein Klicken und Sirren.
    Der Geruch von frischem Blut stieg ihm in die Nase. Phoebus trat allein hinaus. Der Priester schloss die Tür hinter ihm, und Phoebus atmete tief durch.
    »Tritt vor, Hreesos«, sagte Zelos, sein Pateeras.
    Plötzlich wurde es hell, und Phoebus musste gegen das harte Licht blinzeln. »Du betrittst die geheiligte Schwelle der Priester«, verkündete sein Vater und trat vor. Sein blondes Haar fing das Licht, und blitzartig erkannte Phoebus, wie jung und gut aussehend Zelos immer noch war. Er ließ den Blick über die Hand voll Männer wandern, die seinen Vater flankierten. Das war alles, was von Zelos’ Hekatai noch übrig war?
    »Komm, Hreesos, setz dich«, sagte sein Vater und deutete dabei auf einen Lederschemel. Phoebus ließ sich zögernd darauf nieder, und leises Gemurmel erfüllte den Raum. Der Leib des Stieres, den er in der warmen Sonne getötet hatte, lag in einer Vertiefung vor ihm. Der Kopf ruhte genau vor seinem Sitz.
    »Nimm das Gehirn heraus, schneide es in Stücke und biete jedem Mann, den du in deinem Kabinett haben willst, ein Stück davon an«, wies ihn Pateeras leise an. »Die größte Portion ist für dich, doch iss erst, nachdem du das Orakel des Minos erhalten hast.« Phoebus nahm den Kopf und zog, mit angespanntem Kiefer und unter den wachsamen Augen der anderen, die warme Gehirnmasse heraus.
    Es fiel ihm schwer, einen klaren Blick zu behalten, doch trotzdem sahen die Gehirnteile eigenartig aus. Sie waren voller Löcher, anders als alles, was er bei seinen Experimenten mit dem Spiralenmeister gesehen hatte. Der Spiralenmeister! Phoebus besah sich aufmerksam die Umsitzenden; der Ägypter befleckte diese Versammlung nicht mit seiner Anwesenheit. Niemand in Phoebus’ Alter war darunter, es war nur ein Haufen alter Männer. »Pateeras«, flüsterte er, »sieht so das Gehirn aus?«
    Hreesos starrte es an. »Es sieht genauso aus wie jedes, das ich in den vergangenen neunzehn Sommern gegessen habe. Fürchte dich nicht, Phoebus. Iss. Nimm Apis’ Kraft in dich auf.«
    Phoebus schnitt es in Scheiben.
    Der Minos trat vor. Ein langatmiges Gebet in der Gründersprache Aztlans rezitierend, bot er die Hörner Apis’ wieder dar. Zwei weitere Priester warteten ein wenig abseits, während er dem Stier den Bauch aufschlitzte und dann die Eingeweide gegen eine riesige goldene Platte zu Phoebus’ Füßen schleuderte. Die Priester entzündeten weitere Lampen, und Phoebus blickte auf die langen, verwickelten Gedärme. Mit geschlossenen Augen wiegte sich der Minos vor und zurück.
    Der Weihrauch, der die Luft erfüllte, stieg Phoebus zu Kopf, darum klammerte er sich krampfhaft an jedem Detail fest: dem
    Kontrast des tiefroten Blutes

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