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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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weißen Stoff am Boden liegen sah. Dann zog er die Stirn in Falten; nichts und niemand lag darunter. Augenblicklich sah er auf und suchte die Seite der Pyramide nach einem möglichen Hinweis ab.
    »Ein großes Wunder!«
    »Eine Priesterin Kelas, mit Gewissheit!«
    »Sie steht über der Sippe!«
    »Sie ist einzigartig!«
    Was hatte sich Chloe dabei gedacht? Welcher Teufel hatte sie geritten? Sie war atemberaubend, seine Gemahlin; nie wusste er, was sie als Nächstes unternehmen würde. Ein bezauberndes,
    prachtvolles, erstaunliches Geschöpf. Blinzelnd suchte er die Schatten um die Pyramide herum ab. Außerdem ein gerissenes Weib ... und ausgesprochen behände.
    14. KAPITEL
    Chloe kauerte wimmernd im Schatten. Das Herz schlug ihr immer noch im Hals, und falls ihre Hände vor dem Jahr 1 A.D. aufhörten zu zittern, war das ein Wunder. Die Menschen schwärmten wie Ameisen um ihren weißen Umhang herum, während sie von oben die fassungslosen Kommentare der Gardisten hören konnte, die sich überlegten, welche Strafe wohl auf den Mord an einer Goldenen und der Erbin Kela-Ileanas stand.
    Den Kopf gegen den Stein gelehnt, ließ Chloe noch einmal die letzten Sekunden vor ihren Augen ablaufen. Sie war nach hinten ins Nichts getreten und gestürzt. Auf Grund der Struktur der Pyramidenfassade - einer Verkleidung aus glattem Stein mit schmalen Treppen an jeder Seitenfläche - war sie über die glatte Fläche gekullert, hatte sich aber schließlich auf einer Stufe abrollen können. Ihr Umhang, der sich bei ihrem Sturz gelöst hatte, war weiter abwärts gesegelt. Es musste ein unglaubliches Bild gewesen sein, das Weiß des Umhangs vor dem regenbogenbunten Hintergrund, und ein solcher Blickfang, dass die Tausende ihren Körper, den winzigen Fleck vor der riesigen Steinfassade, einfach übersehen hatten. Im Bruchteil irgendeiner Zeitmessung hatte sich Chloe in den Schatten der Treppe zurückgezogen. Ein kleines Schlupfloch unter einer längeren Stufenfolge bot ein ideales Versteck für ein zu Tode verängstigtes, verschwitztes und fast nacktes falsches Orakel.
    Aber war sie das wirklich?
    Die Menschen verstreuten sich mit dem abnehmenden Son-nenlicht, und sie konnte die Gardisten die Treppe über ihrem Kopf herabkommen hören. Was sollte sie nur tun?
    Ich habe die Stiertanz-Zeremonie verdorben, das Kefi des Tages. Das wird Phoebus gar nicht gefallen.
    Ich hatte keine andere Wahl, dachte Chloe. In diesem Moment konnte ich einfach nicht anders. Sie begriff mit einem leisen Schauder, dass sie notfalls ihr Leben dafür gegeben hätte, diese Worte zu sprechen.
    Woher waren sie gekommen? Sie klangen entfernt nach einem Lied, das sie einst gehört hatte . nach der unbeachtet gebliebenen Prophezeiung einer Katastrophe. Die Berge husteten Asche. Glaubten die Aztlantu wirklich, sie seien athanati, sie könnten unmöglich umkommen, Aztlan könnte nicht untergehen?
    Bitte, Herr, verschone sie. Auch wenn sie Selena sterben ließen, sind sie doch nicht schlechter als jedes andere Volk.
    Jede Zivilisation war gut und schlecht zugleich; keine Kultur war rein.
    Sie schauderte, als die Gardisten, immer noch streitend, an ihr vorbeigingen.
    Chloe rutschte tiefer unter die Treppe und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Eine kühle Abendbrise kam auf. Konnte sie zum Palast zurückkehren? Wie zornig wäre Hreesos wohl? Zusammengerollt schlief sie ein, um im Schwarz der Sommernacht wieder zu erwachen.
    Von ihrem Horst zwischen Himmel und Erde aus kam ihr die Welt wie ein pointillistisches Meisterwerk in Silber und Gold vor. Feuer brannten golden unter ihr: in Häusern, Tavernen, Palästen und Gärten. Und über ihr brannten silberne Feuer, in noch unbenannten Konstellationen.
    Das nenne ich einen Paradigmenwandel.
    »Sibylla!«, schien die Nachtluft zu flüstern, und Chloe lächelte in die tröstende Dunkelheit hinein.
    »Sibylla!«
    Sie hob den Kopf: Die Nachtluft klang einigermaßen zornig.
    »Sibylla! Wo in Kelas Namen steckst du?«
    Sie erkannte Dions 0190er-Telefonsexstimme. Woher wusste er Bescheid? »Hier«, flüsterte sie.
    Das Klatschen von Sandalen auf Stufen, dann sah sie ein Licht aufflackern, das gleich darauf hastig gelöscht wurde. »Komm raus, aber ohne ein Wort!«
    Ihre allzu nackten, allzu kühlen Brüste bedeckend, krabbelte Chloe aus ihrem Versteck. Mit verzogenem Gesicht streckte sie die steifen Glieder und kletterte dann die Stufen hinab. Sie waren in der Mitte durchgetreten, und sie war froh, dass sie barfuß ging. Sie konnte sich

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