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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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und ich hoffe«, hatte er auf Französisch gerufen, als sie aus Hatschepsuts Zeit geschleudert worden war.
    Doch zwischen Mann und Frau gab es auch eine asexuelle Art von Liebe. Eine unpersönliche Art. Man konnte jemanden lieben, ohne verliebt zu sein; was war Freundschaft denn anderes?
    Er hatte sie angelogen. Er hatte in ihrem gemeinsamen Bett gelogen, und er hatte in ihrem Leib gelogen!
    Schlotternd stand Chloe auf. Sie musste hier weg. Sie ertrug es nicht, ihm so nahe zu sein. War es denn überhaupt möglich, dass sie sich irrte? Lag Cheftu dort oben nach wie vor mit Dion im Bett? War er zornig hinausmarschiert? Oder in Dions Begleitung? Ihre Einbildungskraft versagte ihr den Dienst. Mindestens eine Stunde war inzwischen vergangen.
    Sie kroch die Treppe wieder hinauf; die Geräusche ließen keinen Zweifel zu.
    Die Geigen kreischten schmerzvoll auf.
    »Spiralenmeister! Wach auf, wach auf!«
    Augenblicklich hellwach und auf der Hut rollte sich Cheftu herum. »Wer ist da?«, rief er.
    Verblüfftes Schweigen. »Nestor, warum?«
    Cheftu humpelte in Richtung Tür, band sich unterwegs einen Schurz um und rieb sich über das Gesicht. Die letzte Nacht war doch bestimmt nur ein Fiebertraum gewesen. Er betastete seinen Mund und schluckte schwer. Seine Fingerknöchel waren aufgeplatzt; also kein Traum. Och! Er riss die Tür auf.
    »Der Berg hustet schon den ganzen Morgen Rauch«, begrüßte ihn Nestor.
    »Wieso hast du mich nicht früher geweckt?«
    Nestor zog hilflos die Achseln hoch.
    »Kannst du irgendwas dagegen unternehmen?«
    Die beiden Männer liefen die Treppe hinauf zum Großen Saal im zweiten Stock und dann durch den langen Säulengang. Cheftu blieb abrupt stehen, als er Dion sah. Sein Kiefer war lila angelaufen, sein Blick vorwurfsvoll. Nach einer steifen Verbeugung zu Dion hin blickte Cheftu auf den Berg. Wo war Chloe? Sie hatte immer noch keine Verbindung mit ihm aufgenommen.
    Ihm fiel auf, dass auch Niko und Phoebus verschwunden blieben. Vielleicht tröstete Niko Phoebus über den Tod seines Sohnes hinweg? Er schauderte angesichts der neuen Bedeutung, die das Wort »trösten« für ihn angenommen hatte. Bilder aus den vergangenen zwölf Dekanen sickerten durch seinen Geist.
    Die Hänge des Berges Apollo waren mit Asche bestäubt. Die zwei Brücken von Menschenhand waren ebenso eingestürzt wie die eine von Göttern erbaute. Die Schiffe waren zu Brennholz zerschmettert und die Wasser waren zu aufgewühlt und zu tief, um sie zu durchschwimmen.
    Etesienwinde begannen aus Nordwesten heranzuwehen. Schwache Beben liefen durch die Erde, so häufig inzwischen, dass sie kaum mehr wahrgenommen wurden. Die Anwesenden verfolgten, wie mehrere schwarze Rauchwolken in die Luft pufften. Cheftu bekam Panik. Wo steckte Chloe? Er hatte nach seinen Patienten gesehen - zwölf weitere Todesfälle - und sich dann wieder zu der Gruppe unter dem Säulengang gesellt. Inzwischen waren noch mehr Menschen eingetroffen: Leibeigene, Bürger, Eltern und Kinder, Priester und Priesterinnen, die Überlebenden von Aztlan.
    Sie sahen den Berg zerbersten, noch bevor sie sein Brüllen hörten. Der Gipfel flog nicht in die Luft; stattdessen rutschte er seitlich ab. Cheftu beobachtete, wie ein riesiges Bergstück links den Abhang hinunterglitt und im Hinabschlittern in unzählige Felsen und Bruchstücke zerschmettert wurde. Der Knall, der Sekunden gebraucht hatte, um in die Atmosphäre aufzusteigen, sackte zum Boden zurück und schleuderte sie allesamt zu Boden.
    Als Cheftu den Kopf hob, sah er eine rot-schwarze Wolke aufsteigen, die explosionsartig anschwoll. Sie verwehte in westlicher Richtung, wodurch Rinnsale feurigen Blutes sichtbar wurden, die innen aus dem Berg herauströpfelten oder in Flüssen von geschmolzenem Gestein über die Insel strömten. Cheftu wischte sich über den Mund, denn sein Blut hatte sich mit der heißen Asche bereits zu einer ganz eigenen Art von Beton vermischt.
    Bevor jemand auch nur ein Wort sagen konnte, war die ge-samte in Daphne lebende Sippe ausgelöscht. Der Berg, dem sie ihr Leben anvertraut hatte, hatte sie vernichtet. Ihr Gott hatte sein eigenes Volk verschlungen. Wogen schlugen an den Inselküsten hoch und rollten über den Hafen, während sich die Erde erhob und auseinanderbrach wie in einer schmerzhaften, blutigen Geburt. Eine Wolke stechender, beißender Asche regnete auf sie herab und deckte die ganze Insel mit einer Staubschicht zu. Vielfarbige Blitze zuckten durch die zunehmende Dunkelheit, bis Cheftu

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