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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Augenwinkeln und die Kummerfalten beiderseits seines Mundes wanderten. Es war eine ausgesprochen intime Berührung.
    Dions Stimme wurde eindringlicher.
    »Stell dir vor, niemals älter zu werden, Cheftu. Stell dir vor, du hättest ein Dutzend - nein, tausend Leben zum Lernen und Studieren, zum Forschen .«
    Cheftu schlug die Augen auf. Dion lag neben ihm, dicht neben seinem Gesicht, mit großen, dunklen Augen. Das Gefühl, das aus ihnen sprach, war ihm auf gespenstische Weise vertraut. »Stell dir vor, du hättest tausend Leben zum Lieben.«
    Und damit senkte er seinen Mund auf Cheftus.
    Chloe öffnete die Tür und trat in das riesige Gemach. Offenkundig war sie auf irgendeinen Geheimgang gestoßen. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Einer Theaterbühne gleich erhob sich in der Mitte des Raumes ein Himmelbett, von Fackeln umleuchtet, sodass die beiden Gestalten darauf gut zu erkennen waren.
    Zwei Köpfe mit dunklem, wallendem Haar.
    Zwei Leiber, dicht umschlungen. Eine Hand hing vom Bett herab, an der wie ein feixendes Dämonenauge ein Ring blinkte. Thoth, der Gott des Heilens. Die Finger, an denen der Ring steckte, waren lang, kräftig und sinnlich, und zwei von ihnen waren für alle Zeiten von Narben gezeichnet.
    Der Boden tat sich unter Chloe auf.
    Mein Herz verzehrt sich nach dem, was es nicht haben kann, und liebt, was es nicht lieben kann.
    Cheftus Worte hallten durch ihren Kopf und Chloe sackte an der Wand nieder.
    Cheftu und Dion?
    Cheftu war schwul?
    Chloe konnte den Blick nicht abwenden. Sie sah den Schatten der Ritze in Dions Hintern und fragte sich, ob Cheftu wohl ebenfalls nackt war. Dions Haar schirmte Cheftus Gesicht vor ihrem Blick ab, wofür sie unaussprechlich dankbar war. Die Leidenschaft für einen anderen Menschen - einen Mann! - in seinen Augen zu sehen, hätte sie nicht ertragen.
    Sie strauchelte rückwärts und lief los zur Wendeltreppe.
    Das erklärte, warum er nicht nach ihr gesucht hatte. Die Hände über den Mund geschlagen, floh Chloe abwärts, auf der Suche nach einem Ausweg, nach Dunkelheit - und Einsamkeit. Schluchzend und blind an der Wand festgekrallt sank sie in die Knie.
    Cheftu war schwul? Denk doch mal nach, schalt sie sich selbst, um Ruhe ringend. Das war doch nicht möglich! In ihrem Beruf hatte sie es ständig mit Schwulen zu tun gehabt. Sie hätte das doch bestimmt geahnt, erkannt?
    Aber du hast mit eigenen Augen diesen Kuss gesehen; sie waren miteinander im Bett. Und es war nicht so, dass Cheftu ans Bett gefesselt gewesen wäre.
    Sie rollte sich zu einem Ball zusammen, während sich der Anblick zweier schöner Männer in liebender Umarmung in ihr Gehirn brannte. Oben wurde zu unten, schwarz zu weiß. Das konnte doch nicht wahr sein. Auf keinen Fall!
    Hatte Cheftu sie einfach satt? Wieso hat er nichts davon gesagt, dass er durcheinander ist?, überlegte Chloe. Wieso hat er mir nicht erzählt, was er empfindet? Hatte er die Gelegenheit, etwas Neues, möglicherweise noch Erotischeres auszuprobieren, einfach nicht ausschlagen können?
    Er war wütend auf sie gewesen, sie hatte ihn nicht mehr erregt, er hatte sie nicht mehr angerührt, er war schweigsam ge-worden, hatte sich von ihr zurückgezogen. O Gott!
    Schwindel übermannte sie und die minimalistischen Akkorde eines längst vergessenen Violinkonzertes zogen durch ihren Kopf. Ihr Leben mit Cheftu zog an ihr vorbei. Systematisch analysierte sie jedes Wort, jede Geste. Er hatte sie nie wirklich begehrt. Von Anfang an hatte er sie gehasst. In Ägypten hatte er sie ursprünglich für eine Hure gehalten, und als sie mit ihm zusammen gewesen war, hatte sie sich mehrmals entsprechend verhalten. Um ihn zu ärgern.
    Die Geigen wurden lauter.
    Er hatte sich für sie verantwortlich gefühlt, weil sie wie er durch die Zeit gereist war. Sie hatten viel gemeinsam; keiner von beiden gehörte wirklich ins alte Ägypten.
    Die sich in minimalen Variationen wiederholende Geigenmusik dröhnte ihr im Kopf.
    Er hatte sie nur geheiratet, um ihr das Leben zu retten.
    Die Cellos stimmten ein.
    Er war ein Ehrenmann. Er hatte gelobt, sie zu lieben und sie zu beschützen, und das hatte er auch getan. Aber ohne dass er es gewollt hatte!
    Das tiefe, widerhallende Klagen der Saiten in ihrem Kopf zwang ihren Kopf zwischen ihre Hände. Sie musste verrückt sein! Es ging hier um Cheftu! Sie dachte an den Ring, den er ihr gegeben hatte, den Ring mit den Topasen in seiner Augenfarbe, dem verwobenen Band aus Gold und Silber.
    »Ich liebe

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