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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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war nur zu bewusst, dass er nackt war. Der kühle, weiche Leib an seiner Seite bewirkte, dass er den eigenen Körper umso deutlicher spürte. »Ihr Fieber!«, krächzte er, rollte die Frau flach auf den Rücken und schälte seinen Schurz von ihr ab. »Es ist gesunken!«
    Sie schlief immer noch, doch inzwischen fühlte sich ihr Leib kühler an, und ihre Wunden nässten. »Tücher!«, befahl er einem der Seesoldaten. »Wein. Kräuter.« Er merkte, wie die Männer den Blick von ihrem verunstalteten Gesicht und Körper abwandten. »Gebt Spiralenmeister Bescheid, sie braucht unverzüglich Pflege.«
    »Sie wird warten müssen, Herr«, wandte ein Seesoldat ein. »Erst müssen wir die Überlebenden von Delos behandeln - die wenigen, die es gibt.«
    »Sie gehört mir. Deshalb hat sie Vorrang.« Der Seesoldat widersprach nicht, und ein anderer reichte Niko die Tücher. Behutsam wickelte er sie ein und gab ihr dann zu trinken. Trotz seiner Erschöpfung ließ Niko nicht zu, dass ein anderer sie trug. Erst als er an Bord war, fielen ihm die Steine wieder ein.
    Auf der Lichtung fand er die Kiste, genau dort, wo er sie versteckt hatte, mit dem schwarzen wie auch dem weißen Stein darin. Er konnte nicht riskieren, dass die Kiste ins Meer fiel oder jemand sie stahl. Darum riss er den Saum seines Schurzes ab und wickelte jeweils einen der handtellergroßen Steine in die Seiten der behelfsmäßigen Schärpe, die er anschließend um seinen Leib schwang. Die Steine schlugen bei jedem Schritt gegen seine Schenkel, aber sie drehten sich nicht. Das Boot dümpelte bereits im flachen Wasser, vollgepfercht mit Überlebenden aus der Sippe der Muse. Niko zog sich an Deck, dann ruderten die Seeleute zurück zum Schiff. Das blaulila Segel Aztlans fing den Wind und brachte sie heim.
    Das Rauschen der Wellen weckte ihn und Cheftu fuhr hoch. Ein schneidender Nordwestwind zerrte an ihrem Schiff. Er schnürte seinen Schurz enger, um sich dann zum Mast vorzuarbeiten. In der Ferne gingen Blitze nieder, und auf dem Meer konnte er den weißen Schaum wütender, brodelnder Wellen erkennen. Rings umher grollte Donner, und Cheftu musste sich an den Seilen festklammern, als er zu seinen wenigen Habseligkeiten zurückkehrte. Er sank auf dem Deck nieder, verzog dabei das Gesicht, weil sein verletztes Bein schmerzte, und wickelte sich in seinen Umhang. Die Wellen brachten das Schiff zum Schaukeln, und wieder zuckten Blitze auf. Die Rufe der Seesoldaten wurden von dem tosenden Wind davongetragen, der erst aus Westen, dann wieder aus Norden blies und sie dadurch immer weiter von Aztlan wegtrieb. Aus ihrem Kurs, Richtung Norden, schloss er, dass dieses mysteriöse Königreich irgendwo bei Griechenland lag; möglicherweise handelte es sich um Griechenland selbst. Er hatte nie von Aztlan gehört, außer damals in Hatschepsuts Ägypten. Kleidung, Sprache, alles war ihm vollkommen fremd. Ihn fröstelte.
    Cheftu bezweifelte, dass sie innerhalb von fünf Tagen ankommen würden, so wie der Kapitän behauptet hatte. Der Kapitän der Krybdys hatte beschlossen, von Ägypten aus direkt über das Große Grün nach Kaphtor und von dort aus nach Azt-lan zu segeln. Nestor und sein Kontingent an Stieren waren außer Sicht an Bord der Cybella.
    Im Winter über das Große Grün zu segeln, war für die Ägypter unvorstellbar. Wenn die Ägypter überhaupt segelten, dann stets in Sichtweite des Ufers. Die Araber, Türken und Griechen in Cheftus Jahrhundert hielten es ebenso, sie reisten an der Küste des Heiligen Landes entlang bis zur Türkei und von dort aus in die Ägäis. Die Winde waren zu unberechenbar. Die meisten Schiffe blieben bis zum Frühjahr in ihren Docks.
    Die Aztlantu segelten das ganze Jahr über, und diese Fertigkeit machte sie zu einer mächtigen, beängstigenden Thalasso-kratie. Wasser wusch über Cheftu hinweg, kalt im plötzlichen Zwielicht. Er mummelte sich in seinen Umhang und starrte in die graue Masse, die vom Himmel herabrieselte. Warm und grau.
    Er hatte so etwas schon einmal gesehen.
    Cheftu schloss die Augen und durchlebte noch einmal die Schmerzen und Wonnen jenes Augenblicks. Er und Chloe auf ihrer Hochzeitsliege vereint, zum allerersten Mal das Gefühl des anderen kostend. Haut, die über Haut glitt, Düfte, die sich miteinander vermischten ... dann ein Klopfen an der Tür und der ergebene Sklave, der ihnen eine Hand voll von diesem Zeug entgegenstreckte. Ein Pulver fällt vom Himmel, hatte er gesagt, das weinende Wunden schlägt.
    Vulkanasche.
    Cheftu

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