Die Sehnsucht der Pianistin
Obwohl ihre Füße nach diesem aufreibenden Tag höllisch brannten, gestattete die Prinzessin sich nur einen kleinen Seufzer, als sie sich auf einem Stuhl niederließ. Sie war von königlicher Geburt und dazu erzogen worden, nicht zu klagen. „Der Tag war so hektisch, dass ich noch gar nicht dazu gekommen bin, Sie zu begrüßen und mich davon zu überzeugen, dass Sie sich wohlfühlen.“
„In Ihrem Palast muss man sich einfach wohlfühlen, Hoheit.“
„Gabriella, bitte.“ Sie nahm das Weinglas. „Wir sind schließlich allein.“ Sie überlegte einen Augenblick, ob sie die Schuhe abstreifen sollte, ließ es dann aber. „Ich wollte Ihnen noch einmal dafür danken, dass Sie eingewilligt haben, heute Abend zu spielen. Es war mir so wichtig.“
„Es ist mir immer ein Vergnügen, in Cordina zu spielen, und es ist mir eine Ehre, dass Sie mich aufgefordert haben.“
Gabriella lachte auf und nippte an ihrem Glas. „Sie waren sauer, weil ich Sie im Urlaub belästigt habe.“ Sie warf ihr kastanienrotes Haar zurück. „Und dafür habe ich sogar Verständnis. Aber sehen Sie, ich habe gelernt, hart zu bleiben … gegen mich und andere.“
Vanessa musste lächeln. Hoheit oder nicht, Prinzessin Gabriella war ungemein nett und natürlich. „Also gut, sagen wir, ich war geschmeichelt und sauer. Ich hoffe sehr, das Wohltätigkeitskonzert wird ein großer Erfolg.“
„Wird es“, sagte Gabriella überzeugt. „Eve – Sie kennen meine Schwägerin?“
„Ja, ich bin ihr schon mehrmals begegnet.“
„Sie ist Amerikanerin und dementsprechend rührig. Sie war mir eine große Hilfe.“
„Ihr Mann ist ebenfalls Amerikaner, nicht wahr?“
Gabriellas Augen leuchteten auf. „Ja. Und er ist genauso rührig. Dieses Jahr haben wir auch unsere Kinder etwas eingespannt. Deshalb ist alles noch ein bisschen hektischer als sonst. Mein Bruder Alexander war ein paar Wochen verreist, aber zum Glück ist er rechtzeitig zurückgekommen, um sich nützlich zu machen.“
„Ui, Sie spannen Ihre Familie ja tüchtig ein, Gabriella.“
„Das ist auch richtig so … weil ich sie nämlich alle liebe.“ Sie sah den Schatten, der über Vanessas Gesicht fiel, und nahm sich vor, sie zu fragen, ob etwas sie bedrücke. „Hannah lässt sich entschuldigen, weil sie vor Ihrem Auftritt nicht mehr in Ihre Garderobe gekommen ist. Aber Bennett stellt sich so schrecklich mit ihr an.“
„Da Ihre Schwägerin hochschwanger ist, hat Ihr Bruder dazu auch allen Grund.“
„Dabei war Hannah so neugierig auf Sie.“ Gabriella schmunzelte. „Immerhin ist Ihr Name in den Klatschspalten mehrfach mit dem meines Bruders aufgetaucht, bevor er verheiratet war.“
Und mit dem der Hälfte der weiblichen Bevölkerung, dachte Vanessa, ließ sich aber nichts anmerken. „Seine Hoheit war ein sehr charmanter Begleiter.“
„Er war ein Schwerenöter.“
„Gezähmt von der schönen Lady Hannah.“
„Nicht gezähmt, allenfalls ein bisschen gezügelt.“ Sie stellte ihr Glas ab. „Ich war enttäuscht, als Ihr Agent uns sagte, dass Sie nur einen Tag in Cordina bleiben wollen. Es ist so lange her, seit Sie uns das letzte Mal besucht haben.“
„Ich fühle mich sehr wohl bei Ihnen.“ Vanessa spielte mit den Blütenblättern einer weißen Rose. „Ich erinnere mich so gern an das letzte Mal, an den herrlichen Tag, den ich mit Ihnen und Ihrer Familie auf Ihrem Landsitz verbringen durfte.“
„Sie sind uns jederzeit herzlich willkommen, wenn Ihr Terminkalender es erlaubt.“ Von Natur aus mitfühlend, streckte sie die Hand aus. „Geht es Ihnen wirklich gut?“
„Ja, danke, es geht mir gut.“
„Sie sehen hinreißend aus, Vanessa, nicht zuletzt wegen dieses traurigen Ausdrucks in Ihren Augen. Ich kenne diesen Blick. Daran ist meistens ein Mann schuld. Auf dem Gebiet sind die Männer ganz groß.“ Sie legte die Hand auf Vanessas Finger. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Ich weiß nicht.“ Vanessa hob den Blick zu Gabriellas sanften, geduldigen Augen. „Gabriella, darf ich Sie fragen, was für Sie das Wichtigste im Leben ist?“
„Meine Familie.“
„Ja.“ Vanessa lächelte. „Es war so eine romantische Liebesgeschichte … wie Sie Ihrem Mann begegneten und sich in ihn verliebten.“
„Je mehr Zeit vergeht, desto romantischer wird sie … und desto weniger traumatisch.“
„Er war früher Polizist, nicht wahr?“
„So was Ähnliches.“
„Wenn Sie Ihre gesellschaftliche Stellung, Ihr Geburtsrecht hätten aufgeben müssen, um ihn zu heiraten,
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