Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
Vom Netzwerk:
sich die Kommentare der anderen schweigend an, bevor sie sich mit klarer Stimme zu Wort meldete. «Gestatten Sie mir eine Frage, Großtante. Wie kommt es, dass Sie ausgerechnet mich zur Ehrendame wählen? Es dürfte doch in Darmstadt genug adelige Töchter geben, die sich besser eignen als ich.»
    Die Gräfin schluckte verblüfft. «Es ist wirklich erstaunlich, zu welchen Gedanken das Kind fähig ist!»
    «Ich kann es meiner Nichte gerne erklären, wenn Sie erlauben!», sagte Alexander und wandte sich an das junge Mädchen. «Frau von Bahro lebt gewöhnlich am kurfürstlichen Hof in Hannover, wie dir vielleicht bekannt ist. Sie ist die angesehene Witwe eines Ministers. Von ihrem Aufenthalt in Darmstadt hätten wir wahrscheinlich nie erfahren, wenn nicht zufällig ihre Dame krank geworden wäre. Was glaubst du, warum sie uns die Ehre ihres Besuches macht? Meine liebe Tante wird schlichtweg keine andere Dame gefunden haben. Oder sagen wir es so: Sie muss wirklich in arger Verlegenheit sein!»
    Das wütende Schweigen der Gräfin verriet, dass der junge Mann mit seiner Behauptung ins Schwarze getroffen hatte.
    «Wenn das wahr ist», sagte der alte Baron, «dann wird die Gräfin Bahro weitersuchen müssen! Ich erlaube nicht, dass ein Mitglied dieser Familie unter derart würdelosen Umständen an den Hof zurückkehrt!»
    Die Gräfin hatte ihre Haltung wiedergewonnen. «Sie sind ein Narr, Georg! Anstatt solchen Unsinn zu reden, sollten Sie mir auf Knien danken! Ich brauche Ihnen sicher nicht zu sagen, dass ich die Einzige bin, die Paulina die Einführung bei Hof ermöglichen kann. Sie selbst befinden sich seit jenem unglückseligen Vorfall in Ungnade, und daran hat sich, soviel ich weiß, nichts geändert. Und was ist mit dem Rest der Familie? Ihr ältester Sohn haust wie ein Bauer auf dem heruntergewirtschafteten Familiensitz, der andere führt das Lotterleben eines Taugenichts – und von Ihrer Tochter, die als Schauspielerin durch die Lande tingelt, will ich lieber nicht reden.»
    Die Augen des Barons weiteten sich in blankem Entsetzen. Sein Atem ging plötzlich schwer. «Warum tun Sie mir das an? Beschimpfen Sie mich meinetwegen, so viel Sie wollen! Aber sprechen Sie nicht von Anna! Nie mehr sollte ihr Name in diesem Hause genannt werden! Meine Tochter – eine Schauspielerin! Was für eine Schande! Wie gut, dass meine selige Luise das nicht mehr miterleben musste.»
    «Es steht Ihnen schlecht an, von Schande zu reden, lieber Schwager. Die Schande, die meine Schwester Luise durch Sie erfahren musste, war weitaus größer.»
    Der Alte sprang von seinem Stuhl auf und musste sich auf dem Tisch abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Seine Miene war zornerfüllt.
    «Fangen Sie nicht wieder damit an! Es ist genug! Gehen Sie! Verlassen Sie sofort mein Haus! Beim letzten Mal waren Sie es, die gegangen ist, doch diesmal bin ich es, der Ihnen befiehlt zu gehen!» Er bäumte sich mit letzter Kraft auf. «Hinaus!», schrie er mit brechender Stimme und deutete auf die Tür. «Hinaus!»
    Frau von Herben stürzte mit sorgenvoller Miene auf den Baron zu. Auch die Erzieherin eilte dem Alten zu Hilfe, als er keuchend in seinen Stuhl zurückfiel.
    Alexander von Dornfeld hingegen saß ungerührt da und rieb sich die Hände. «Jetzt wird es amüsant. So gut habe ich mich in diesen tristen Mauern schon lange nicht mehr unterhalten.»
    Die Gräfin warf ihm einen vernichtenden Blick zu. «Sie würden selbst Ihre Seele verkaufen, um ein wenig Spaß zu haben, nicht wahr? Es war ein großer Fehler von mir, hierherzukommen. Dabei war ich nur um das Wohlergehen dieses unschuldigen Mädchens besorgt. Und wie ich sehe, hatte ich allen Grund dazu. Der verderbliche Einfluss dieses Hauses hat schon in beängstigendem Maße auf Paulina abgefärbt. Doch glauben Sie nicht, ich würde vor Ihnen allen zu Kreuze kriechen! Keine Bange – dies war endgültig das letzte Mal, dass ich mich in die Angelegenheiten dieser Familie gemischt habe!»
    Sie wollte eben durch die Tür rauschen, als eine schmale Hand ihren Arm ergriff.
    «Warten Sie, Madame!», sagte Paulina. «Warten Sie! Ich bin einverstanden.»
    Frau von Bahro starrte das junge Mädchen entgeistert an. «Wie bitte?»
    «Ich bin einverstanden», wiederholte Paulina mit ruhiger Stimme. «Ich werde Sie zu dem Empfang begleiten.»
    «Was reden Sie da, Fräulein Paulina?», kreischte Frau von Herben. «Seit wann steht es Ihnen zu, eigenmächtig derartige Entscheidungen zu treffen?»
    Frau

Weitere Kostenlose Bücher