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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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alles. Ich denke auch oft an ihn, der eigentlich länger hätte leben müssen. Aber so ist es nun einmal - er ist zu
seiner Mutter gegangen, die er nie kennengelernt hatte. Oh ja, er wird lange vor mir das Gesicht meiner geliebten Léonore wiedersehen, meiner zärtlichen Léonore! Ach, Alix, wenn du wüsstest, wie sehr ich sie geliebt habe, und wie sehr ich mir wünschte, sie wäre noch am Leben! Nur sie konnte mich vergessen machen, dass ich mich Gott allein verschrieben hatte. Besuche mich, wenn du nach Rom kommst. Ich bin sicher, das wird nicht lange auf sich warten lassen, weil du reisen musst, um dich um deine Aufträge zu kümmern, damit sie dir nicht irgendein dahergelaufener stiller Teilhaber wegnimmt. Höre auf Van de Veere, er weiß das alles besser als irgendjemand sonst. Trotzdem sollst du dich natürlich auch auf dein Gespür verlassen.
    Ich bin sehr stolz, dass ich dein Meisterstück verteidigen durfte. Hüte das Geheimnis vom goldenen Faden, das Geheimnis, das ich Jacquou anvertraut habe - und das nicht einmal Julio kennt. Noch einmal, Alix: Hüte dich vor deinen Feinden! Sie sind immer zur Stelle, egal was du machst. Vergiss aber auch nie, dass du wahre Freunde hast, die dir aus jeder misslichen Lage helfen werden. Adieu Alix! Ich denke an dich.
     
    Jean.
    Schon seit dem Aufwachen war Julio sehr unruhig. Die Ereignisse hatten sich überstürzt, und er war gar nicht richtig zum Nachdenken gekommen, vor allem was seine übereilte Entscheidung betraf, die Jean mit seinem Entschluss, noch am selben Abend nach Rom abzureisen, unabsichtlich vorangetrieben hatte. Und die Gildeversammlung hatte ihm überhaupt nicht gefallen, genauso wenig wie die Teilnehmer, der Verlauf und am allerwenigsten
das Duell zwischen den einflussreichsten Gildemitgliedern.
    Als Julio noch einmal über diesen erstaunlichen Tag nachdachte, an dem im Grunde nur persönliche Angelegenheiten geregelt worden waren, fragte er sich, welcher vernünftige, kluge und friedliebende Mensch etwas an dieser gewalttätigen Debatte finden konnte, an den Schlägen und Drohungen. Diese Versammlung, die in einen veritablen Faustkampf ausgeartet war, war wirklich nicht nach seinem Geschmack.
    Seit dem vergangenen Abend fühlte sich Julio angespannt und ängstlich, weil er fürchtete, den falschen Weg eingeschlagen zu haben. Alix war aber nicht der Grund, denn je länger er sie kannte, umso mehr wurde sie zu einer verständnisvollen, aufmerksamen Schwester für ihn. Es war ihm einfach alles viel zu schnell gegangen.
    Als er aber dann am Abend in der Kutsche Angela gegenüber gesessen hatte, die ihn mit ihren blauen Augen freundlich anlächelte, fühlte er sich ein wenig getröstet.
    Alix konnte ihr Glück noch gar nicht richtig fassen und war am nächsten Morgen spät aufgestanden. Nun aber genoss sie in vollen Zügen den sonnigen Morgen, der an die kleinen Fenster des Zimmers klopfte, das sie sich mit Angela teilte. Sie ließ Julio kommen, der in einem Nachbarzimmer mit Leo schlief.
    Angela saß sittsam in einer Ecke des Zimmers neben dem Kamin, der jetzt im Sommer nicht befeuert wurde. Julio stand neben Alix, war aber in Gedanken noch ganz bei dem, den er gerade verlassen hatte. »Julio«, hatte er zu ihm gesagt, »ich will, dass du dich jetzt auf der Stelle entscheidest. Entweder du bleibst oder du kommst mit mir zurück nach Rom!« Da erinnerte sich Julio an Angelas schöne blaue Augen, die ihn angefunkelt hatten, als Alix sie in der Kutsche miteinander bekannt gemacht hatte. Und eben
diese Augen sprühten ihm auch jetzt lautlose Signale entgegen. »Ich bleibe«, hatte er unsicher geantwortet. »Das ist eine gute Entscheidung, mein Junge. Solltest du irgendwann feststellen, dass du dich getäuscht hast, kannst du immer noch Geistlicher werden, auch wenn ich dich dann vielleicht nicht mehr im Vatikan empfangen kann. Glaube mir, du hast die beste Wahl getroffen. Man muss sich nämlich darüber klar werden, ob man sich trotz aller persönlichen Ambitionen für Gott entscheiden kann. Das Leben ändert sich oft schnell und schreibt dir die Antwort vor. Wenn deine Entscheidung verkehrt war, komm zurück nach Rom, und wenn ich nicht mehr da bin, findest du bestimmt jemand anderen, der dir helfen kann.«
    Alix hatte Julio schon eine ganze Weile beobachtet. Die Blässe war seit dem Aufruhr in der Versammlung nicht mehr aus seinem Gesicht gewichen, aber er wirkte nicht mehr ganz so verkrampft. Und wenn er Angela ansah, zeigte sich in seinen Augen sogar ein

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