Die seidene Madonna - Roman
weigern uns!«
»Aber Monseigneur de Lenoncourt!«, gab Alessandro Van de Veere zu bedenken. »Ist Euch die Sache wirklich so wichtig, dass
Ihr auf alle finanzielle Unterstützung für Euer Bistum verzichten wollt?«
»Ihr seid ja wohl nicht der einzige Bankier, von dem man Geld leihen kann«, zischte der Erzbischof giftig zurück.
»Aber Ihr braucht doch Golddukaten, und wir Florentiner sind die Einzigen, von denen Ihr sie bekommen könnt - ohne dass wir die Nase in Eure Privatangelegenheiten stecken. Ich habe allerdings gehört, dass sich Euer Privatvermögen verdreifacht haben soll, seit Ihr Bischof von Reims seid. Reicht Euch das, oder soll ich den französischen Bankiers ein paar Hinweise geben, damit sie einmal Euren persönlichen Besitz unter die Lupe nehmen?«
»Nein, natürlich nicht, auf keinen Fall!«, stammelte de Lenoncourt und wurde so rot wie eine überreife Tomate.
»Dann schlage ich vor, dass Ihr jetzt für diese Frau stimmt, die Ihr einmal geohrfeigt habt.«
Wer hätte in diesem unbeschreiblichen Durcheinander wirklich gegen die Erteilung der Lizenz stimmen sollen? Alessandro ließ die Hand des Richters wieder los.
»Auf auf! Pergament, Tinte und Feder - und dann stellt Ihr dieser jungen Frau, deren Arbeit unsere ganze Hochachtung verdient, die Lizenz aus.«
25
Jean de Villiers reiste noch am selben Abend aus Lille ab und hinterließ Alix folgenden Brief:
Meine liebe Alix, in Gedanken bin ich bei dir, möchte dich aber lieber nicht sehen, ehe ich wieder nach Italien aufbreche. Ich muss mich erst ein wenig von den Flamen erholen, die ich zum Glück nicht so bald wiedersehen werde. Mag sein, dass ich einen zu nachhaltigen Eindruck hinterlassen habe, ich weiß aber, dass manche auf meiner Seite waren, auch wenn sie es nicht gezeigt haben. Hab’ keine Angst - der alte Seigneur de La Tournelle ist nicht tot. Ich habe ihn nicht umgebracht. Er ist zäh und wird sicher bald wieder versuchen dir zu schaden, genau wie der Erzbischof von Reims. Am besten hältst du dich von ihnen fern. Was Mortagne und Van Thiegen betrifft, so wirst du ihnen bestimmt oft über den Weg laufen, weil ihr denselben Beruf ausübt. Bestimmt legen sie sich immer wieder mit dir an, wenn sie können, obwohl du jetzt deine Lizenz hast. Du hast sie bekommen, und Gott allein weiß, ob ich dafür mein Bestes gegeben habe. Ich kann jetzt jedenfalls nach Rom zurückkehren, weil du mich nicht mehr brauchst. Ich hoffe, du bleibst eine hervorragende Weberin und wirst eine sehr gute Geschäftsfrau. Ich weiß, dass du dazu in der Lage bist.
Bevor ich Lille verlasse, habe ich noch diesen Florentiner Bankier getroffen, den ich nur vom Namen her kannte - deshalb
hatte ich ihn dir auch empfohlen -, aber mit dem ich persönlich noch nicht zu tun gehabt hatte. Ich denke, wir werden uns sehr bald einig sein, weil er den sehnlichen Wunsch hat, sich auf den Weg ins Morgenland zu machen - wobei ich ihm behilflich sein kann. Wenn er dort Handel treiben will, bin ich dabei.
Ich glaube, du kannst ihm vertrauen. Wenn er mit mir Geschäfte machen will, kann es nur in seinem Interesse sein, dich weder zu täuschen noch zu bestehlen. Er ist ein kluger Mann, hart, wenn es ums Geschäft geht, und streng, aber ehrlich.
Ich überlasse dir meinen Freund Julio, der auch mein Schützling ist, wie du weißt. Wir haben ausgiebig diskutiert. Er ist bereit, in Frankreich zu bleiben. Du sollst ihm die Leitung des Kontors im Val de Loire übertragen. Besitzerin bleibst aber du allein, was nur natürlich ist, weil Jacquou mein einziger Erbe war.
Van de Veere wird dir das nötige Geld vorstrecken. Er stellt nur eine Bedingung: Dieses Kontor darf ausschließlich Rom und Florenz bedienen. Wenn deine beiden Werkstätten wieder in Betrieb gehen, arbeiten sie zusammen mit Flandern. Van de Veere verschafft dir eine Mitgliedschaft für die Manufaktur von Brügge. Da du deine Feinde aus Tours nicht loswerden wirst - allen voran Coëtivy -, ist es besser für dich, mehr mit Brügge als mit Arras, Lille oder Brüssel zusammenzuarbeiten. Wenn du dich aber geschickt anstellst und neue Freunde gewinnst, schließt das eine das andere nicht aus.
Meine liebe kleine Alix, der Platz in meinem Herzen ist dir sicher. Oft denke ich an den Tag, als du mich angefleht hast, ich sollte dir helfen, Jacquou wiederzufinden - und du warst noch so jung. Die Tränen liefen dir übers Gesicht, und du hast mich wirklich gerührt, weil du diesen Jungen so sehr geliebt hast. Er war dein ein und
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