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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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würde man denn nun endlich über das Schicksal ihres Meisterstücks entscheiden? Alix sah, wie sich Alessandro an sie wandte und mit lauter, für alle vernehmlicher Stimme sagte:
    »Wärt Ihr bereit, einen Vertrag über einen großen Millefleurs zu unterzeichnen, den ich bei Euch bestellen will? Ein Ensemble aus, sagen wir, sieben oder acht Bildern. Ich würde mir wünschen, dass Ihr die Liebe in ihrer ganzen natürlichen Vollkommenheit darstellt.«
    Die Versammlung - und auch Alix - war wie vom Donner gerührt. Dieser Vorstoß kam einer Kriegserklärung gleich.

    »Zum Teufel!«, schrie der alte La Tournelle und spuckte vor Alix aus.
    »Was seid Ihr nur für eine erbärmliche Figur!«, tobte Alix.
    »Worauf wartet Ihr denn noch, bis Ihr diese Frau rauswerft?«, fluchte La Tournelle, der sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. »Sie ist wie alle Frauen eine Hure!«
    Nun gab es Krieg. Welches andere Wort hätte der Mann, der diese Frau über alle Maßen verabscheute, dieser Frau sonst an den Kopf werfen sollen? Wie von der Tarantel gestochen sprang Jean de Villiers auf und ging La Tournelle mit vor Zorn hochrotem Gesicht an die Gurgel.
    »Nehmt das auf der Stelle zurück!«
    »Wir lassen uns schon noch etwas einfallen!«, brüllte Van Thiegen. »Sollte diese Frau die Lizenz kriegen, machen wir ihr den Prozess.«
    Der Richter schlug mit geballten Fäusten auf den Tisch, und seine Gesichtsfarbe wechselte von kreidebleich zu scharlachrot. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er gleich ersticken.
    »Genug, Messires, es reicht!«, donnerte er.
    Aber dafür war es schon zu spät, die Lage war außer Kontrolle geraten. Seit über zehn Jahren hatte es keine so stürmische Sitzung mehr gegeben. Damals war es Katherine Hasselet, ebenfalls Witwe eines Webermeisters, gelungen, Unruhe in den gewohnten Alltag der Jahresversammlungen zu bringen.
    Die gutmütigen und eher gelassenen Flamen ließen sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen und trugen ihre Querelen sonst ganz gemächlich aus, am liebsten abends in einer behaglich warmen Taverne. Ein gut gefüllter Bierkrug war ihnen dabei mit Sicherheit sehr hilfreich.
    »Ich bitte um Mäßigung!«, schimpfte der Richter.
    Aber Jean de Villiers war außer sich vor Zorn. Die Empörung
hatte die Gewaltbereitschaft geweckt, die in ihm schlummerte.
    »Solltet Ihr es wagen, meinen Schützling noch einmal so zu beleidigen, bringe ich Euch um!«, donnerte er und hielt den alten La Tournelle noch immer an der Gurgel gepackt.
    »Wie denn? Mit Euren Gebeten oder mit Eurem Säbel?«, höhnte La Tournelle.
    Mit der einen Hand hielt ihn Jean fest, mit der anderen holte er einen kleinen Dolch aus dem Ärmel.
    »Damit!«
    Julio war leichenblass, verzweifelt biss er die Zähne zusammen, und die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf. Nie zuvor hatte er den Kardinal in einem derart wahnsinnigen Zustand erlebt. Er begriff, dass es Jean gar nicht mehr um die Verteidigung von Alix ging, sondern dass man unwissentlich seinen wunden Punkt getroffen hatte. Aber was war das eigentlich? Julio hatte keine Ahnung.
    Jean de Villiers war wirklich verrückt geworden! Das türkische Blut in seinen Adern brodelte, sein ganzes überschäumendes morgenländisches Temperament kam in diesen Minuten zum Ausbruch, die in den Annalen der Webergilde des Nordens für immer festgehalten werden sollten.
    Van Thiegen versuchte ihn wegzustoßen, aber das war völlig zwecklos. Ebensogut hätte es ein kleiner Strauch mit einer alten Eiche aufnehmen können.
    »Wir werden den Vatikan verständigen!«, schrie er und zog an Villiers Schultern, um seinen Freund La Tournelle zu befreien. »So weit kommt es noch, dass uns ausgerechnet ein Türke auf seinen krummen Dolch spießt!«
    Jean fuhr herum und schlug ihn mit einem Kinnhaken nieder.
    »Wir werden dem Vatikan von Euren Untaten berichten!«, wiederholte Van Thiegen auf dem Boden liegend.

    Dann richtete er sich vorsichtig auf, aber Jean de Villiers brauchte keine zwei Sekunden, um ihn wieder zu packen und mit dem Oberkörper gegen eine Wand zu drücken.
    »Der Vatikan kennt meine Abstammung, Messire La Tournelle, ich habe den christlichen Glauben angenommen und bin kein Moslem. Ihr könnt mir nicht drohen.«
    »Das Lachen wird Euch schon noch vergehen, Monseigneur le Turc, wenn Alexander Borgia nicht mehr Papst ist!«
    »Jetzt ist er es jedenfalls noch.«
    »Aber nicht mehr lange. In längstens sechs Monaten ist Georges d’Amboise Papst, und dann werdet Ihr vor mir im Staub

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