Die Sextherapie: Roman (German Edition)
Frauenstimme. Abigail. Nach einer kurzen Pause applaudierte und jubelte die ganze Gruppe. Shelley hatte das Gefühl, etwas zu verpassen. Sie öffnete ihre Tasche und holte das Formular heraus. »Behandlung erfolgreich. Entlassen«, hatte Dr. Jones an den unteren Rand geschrieben.
Behandlung erfolgreich , dachte Shelley. Nun, in gewisser Weise schon. In der letzten Woche war sie mit einem Rockstar ausgegangen, hatte eine Frau geküsst und einer anderen ihren nackten Hintern gezeigt. Sie hatte zu den Phantasien eines Pornostars masturbiert und war in die Rolle einer verdorbenen Person geschlüpft, in der sie sich seltsamerweise wohl gefühlt hatte.
Aber war sie auch geheilt? Sie wollte zwar nicht sexsüchtig werden, doch vielleicht hatte sie von denen, die es wirklich waren, etwas gelernt, nämlich, dass es einen Mittelweg gab. Dass man auch mit hässlichen Menschen Spaß im Bett haben konnte. Dass niemand unerreichbar war, wenn man Bereitschaft zeigte, seine Wünsche zu erfüllen. Dass es in Ordnung war, sich selbst zu lieben. Dass nicht alle Betrüger zu verurteilen waren. Dass Aggression im Leben und in der Sexualität ihren Platz hatte. Und dass man manchmal unbekanntes Terrain betreten musste.
Und das hatten ihr nicht Verity oder Galloway beigebracht, sondern die anderen Kursteilnehmer.
»Willkommen«, begrüßte Verity Shelley, als diese hereinkam. »Wir haben Cian gerade gefragt, wie er die Löcher in seinem Leben füllt. Ich fürchte, seine Antworten waren zunächst nicht sehr hilfreich, aber wir haben eine Lösung gefunden.«
»Entschuldigt die Verspätung«, erwiderte Shelley, »aber ich musste mich um eine dringende persönliche Angelegenheit kümmern.«
»Wir haben schon geglaubt, wir hätten dich verloren«, meinte Rose und strahlte sie an. Auch die Übrigen lächelten, als sie ihren Platz in der Runde einnahm.
»Keine Chance«, antwortete Shelley. »Ich bleibe bis zum bitteren Ende.«
»Shelley!«, rief Briony aus. Sie stürmte durch die Redaktion, um sie zu umarmen, und zerquetschte dabei ihren Pappbecher mit Milchkaffee, sodass sich dieser über die einzige schwarze Hose ohne blankgescheuerte Rückseite ergoss, die Shelley besaß. »Du hast mir gar nicht gesagt, dass du zur Arbeit kommst. Ich dachte, ich würde dich heute Abend zu Hause treffen.«
»Ich wollte dich überraschen«, antwortete Shelley und versuchte, trotz der heftigen Umarmung Luft zu holen. Über Brionys Schulter hinweg sah sie, wie Freya sie mit Blicken erdolchte. Offenbar hatte sich in der Redaktion schon herumgesprochen, dass Shelley ihr die Titelgeschichte weggeschnappt hatte.
»Ach, schaut nur«, stichelte Freya. »Jackie Collins ist zurück.«
»Wie geht es deiner Kolumne, Brie? Tut mir leid, dass ich nicht schon früher gefragt habe. Ich war so beschäftigt.«
»Kein Problem, alles bestens. Ich fühle mich zwar prima, aber du hast mir gefehlt. Einen Typen an der Wand zu vögeln ist längst nicht so lustig, wenn du nicht von der anderen Seite rüberbrüllst, wir sollten nicht solchen Krach machen.«
»Wie geht es dir, Freya?«, erkundigte sich Shelley. »Wie läuft es mit...« Shelley verstummte. Mit Freyas Schreibtisch stimmte etwas nicht. Im nächsten Moment fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. »Wo sind denn die ganzen Fotos von Harry?«
Sichtlich um Gelassenheit bemüht, kniff Freya die Lippen zusammen. »Drücken wir es einmal so aus, Shelley, dass Harry auf dich perfekt gewirkt haben mag...«
»Äh...«
»... doch es gab da in letzter Zeit gewisse... Probleme.«
»Du brauchst nicht weiterzusprechen«, meinte Shelley. »Offenbar heißt das, dass du wieder solo bist, wie ich.«
Doch Freya schüttelte den Kopf und setzte wieder ihre selbstzufriedene Miene auf.
»Oh nein. Eigentlich hatte ich mich schon darauf gefreut, mich ein bisschen auf dem Markt umzuschauen, aber das Schicksal meinte es anders mit mir. Vor ein paar Tagen habe ich einen wundervollen Mann kennengelernt. Er war hier, um dich zu besuchen, ich kann mir nicht vorstellen, warum. Jedenfalls hat es sofort zwischen uns gefunkt.«
Shelley zog die Augenbrauen hoch. »Wie heißt er denn?«
»Gavin«, verkündete Freya.
»Gavin, der Manga-Fan?«, hakte Shelley nach.
»Ja, bis jetzt war mir gar nicht klar, wie literarisch wertvoll Comics sein können. Wirklich faszinierend.«
Shelley musste ein Grinsen unterdrücken.
»Er hat gesagt, dass er dich kennt«, fuhr Freya fort. »Ach, herrje, hoffentlich habe ich dich jetzt nicht gekränkt,
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