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Die Siedler von Catan.

Die Siedler von Catan.

Titel: Die Siedler von Catan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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weil sie als Einzige leicht genug war, um aufs Tempeldach zu klettern, ohne gehört zu werden. Außerdem wusste sie so gut wie Candamir, welche Stelle des Daches genau über der Quelle lag, hatte sie dieses Dach doch zusammen mit ihm gedeckt. Doch sobald ihre Aufgabe erfüllt war, hatten sie vereinbart, sollte sie nach Hause zurückkehren, denn niemand konnte wissen, was in dieser Nacht noch geschehen würde, und ihre Kinder durften nicht länger als
    nötig allein bleiben.
    Als Hacon zurückkam, brannte das ganze Tempeldach lichterloh und erhellte die Lichtung. Er nickte seinem Bruder zu, und Candamir schloss für einen kurzen Moment die Augen. Er war nicht sicher, was es war, das seine Knie so butterweich machte, Erleichterung oder Furcht.
    Er sammelte sich, dann nahm er die scharfe Klinge von Ingas Hals, ließ ihren rechten Arm los und trat einen Schritt zurück. Beinah respektvoll reichte er ihr den Dolch mit dem Griff zuerst.
    Sie erwiderte seinen Blick, doch sie nahm das Messer nicht. Ohne sich zu rühren, befahl sie: »Packt die Verräter.«
    Das ließen ihre Getreuen sich nicht zweimal sagen. Geradezu begierig stürzten sie sich auf die beiden Brüder, die das Versöhnungsopfer an die Götter vereitelt hatten, Haflad und Thorbjörn vorneweg. Sie fesselten ihnen die Hände auf den Rücken und verpassten ihnen den einen oder anderen unauffälligen Tritt.
    »Lass sie uns in den Tempel sperren, Inga«, schlug Ivar vor.
    »Odin verlangt ein Blutopfer, hast du gesagt. Sie haben es uns gestohlen. Also sollen sie die Rolle übernehmen.«
    Inga sah Candamir in die Augen. Die ihren funkelten. Der Gedanke hatte einen fast übermächtigen Reiz. Sie wusste, es wäre unklug, aber die Versuchung war unwiderstehlich …
    »Wäre das nicht gerecht, Candamir?«, fragte sie bedächtig.
    »Dass du mitsamt deinem Werk, das du zerstört hast, untergehst?«
    Stumm sah er zum brennenden Tempel hinüber. Auch an den rot gefärbten Wänden leckten jetzt Flammen. Das Feuer verzehrte den wundervollen Bau mit solch tosendem Brüllen, dass das Grollen der Erde nicht mehr zu hören war. Oder ist die Erde verstummt?, fragte Candamir sich.
    Derweil antwortete Hacon Inga: »Das würde ich mir an deiner Stelle gut überlegen. Denn ganz gleich, was aus uns wird, du wirst mit deinem Mann weiterleben müssen.«
    Ingas verklärter Gesichtsausdruck verschwand, und sie nickte unwillig. Sie wusste, Hacon hatte Recht. »Geht heim«, wies sie ihre Gläubigen an. »Berichtet Osmund und den anderen Männern, was geschehen ist. Dass Candamir das Opfer vereitelt und den Tempel niedergebrannt hat und das Thing deswegen morgen an der Esche stattfinden muss. Thorbjörn, Oswin, ihr bleibt hier und bewacht die Verräter. Bringt sie morgen zum Thing ins Dorf.« Sie wandte sich nach Süden.
    »Wo willst du hin?«, fragte Thorbjörn verwundert. »Den verfluchten Sachsen erwischst du nicht mehr. Und es ist gewiss gefährlich dort drüben.«
    Inga ließ den kleinen Beutel an ihrem Gürtel klimpern. »Ich muss die Runen befragen. Und zwar an Brigittas Grab.«
    Für Hacon war es keine neue Erfahrung, gefesselt und in Schimpf und Schande ins Dorf gebracht zu werden, aber es war nichts, woran er sich gewöhnen könnte, musste er feststellen. Genau wie Candamir hielt er den Kopf tief gesenkt und versuchte, keinem der vielen Menschen ins Gesicht zu schauen, die sich bereits zum Thing auf der Dorfwiese versammelt hatten. Es war sehr still. Die Erde war wieder verstummt, doch das feurige Schauspiel der letzten Nacht schien selbst den Vögeln die Sprache verschlagen zu haben.
    Als der Tempel ausgebrannt und die nächtliche Ruhe auf die Flussinsel zurückgekehrt war, hatten sie erlebt, wie das Grollen nach und nach verebbte und schließlich erstarb. Das Glühen am südlichen Himmel war hingegen geblieben, bis die Sonne wiederkam und es überstrahlte.
    Osmund stand mit verschränkten Armen am Stamm der Esche und sah ihnen entgegen. Thorbjörn ließ die Brüder in Oswins Gewahrsam ein paar Schritte vom heiligen Baum entfernt stehen, trat zu Osmund und wollte ihm etwas zuraunen, doch der hob abwehrend die Hand. Dann ließ er den Blick über die Versammlung schweifen und sagte mit tragender Stimme:
    »Manche, aber nicht alle von euch wissen, dass wir vergangene Nacht Brigittas letztes Orakel erfüllen wollten. Ich hatte schon lange den Verdacht, dass der Sachse, der den falschen Gott anbetet, der ›abtrünnige Verräter‹ ist, und als Odin in seinem Zorn Feuer auf den Wald im

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