Die Siedler von Catan.
nicht neu, wenn ich dir sage, dass die Götter und ihre Absichten mich nicht sonderlich interessieren, nicht wahr?«
»Nein. Das ist mir nicht neu. Die Götter sind dir völlig gleich, aber sie lieben dich trotzdem. Seit ich denken kann, versuche ich, das zu begreifen.«
»Osmund. Wenn du und ich morgen beim Thing gegeneinander antreten, dann kann das nur auf eine Weise enden. Wahrscheinlich ist deine Anhängerschaft zahlreicher, das will ich nicht bestreiten, aber nur um einige wenige Stimmen. Die Lager sind beinah gleich groß. Es ist ein Bruderkrieg, den wir hier riskieren.«
Osmund nickte.
»Ich kann nicht zulassen, dass es zwischen uns und euch zum Kampf kommt«, fuhr Candamir fort. »Denn das hätte unabsehbare Folgen, und ich habe nun einmal geschworen, zu tun, was ich kann, um Blutfehden zu verhindern.«
»Das war ein törichter Schwur«, bemerkte Osmund kritisch.
»Mag sein, aber er ist getan.«
»Also?« Osmund breitete hilflos die Arme aus. »Was erwartest du, das ich sagen soll? Ich weiß mir keinen Rat. Ich begreife nicht, wie es dazu kommen konnte, dass wir in diese ausweglose Lage geraten sind, aber die Götter haben nun einmal einen merkwürdigen Sinn für Humor. Und wenn du morgen …«
»Osmund«, unterbrach Candamir. »Hör mir zu: Ich bin bereit, mich deinem Herrschaftsanspruch unterzuordnen.«
»Was?«
»Warum nicht? Wir wissen beide, dass du der Klügere und Besonnenere von uns bist. Vielleicht soll es so sein. Ich habe dir mein ganzes Leben blind vertraut, also warum nicht jetzt? Ich habe nur eine einzige Bedingung.«
»Der Sachse.«
Candamir nickte. »Jag ihn nicht fort. Ich habe ihn gezwungen, mit hierher zu kommen, und darum bin ich ihm verpflichtet. Wenn du darauf bestehst, soll das Thing meinethalben beschließen, ihn wieder zu versklaven. Ich nehme ihn in mein Haus und sorge dafür, dass er dir kein Ärgernis ist.«
Osmund verschränkte die Arme und sah ihn unverwandt an. »Es ist nicht meine Absicht, den Sachsen davonzujagen.«
So groß war die Erleichterung in Candamirs Miene, dass Osmund einen Augenblick versucht war, es dabei zu belassen. Nicht weiterzusprechen. Vermutlich wäre das sogar die klügere Entscheidung, in Odins Sinne. Aber er musste feststellen, dass er unfähig war, seinen Freund so zu hintergehen.
»Austin muss sterben, Candamir. Er ist der abtrünnige Verräter, weißt du nicht mehr? Er will Unglück über
Odins Volk bringen. Er hat uns bereits genug Unglück gebracht. Und um die Prophezeiung zu erfüllen, muss ich ihn niederwerfen.«
Candamirs Kehle war plötzlich staubtrocken. Er räusperte sich. »Osmund, ich bitte dich, wie ich dich nie zuvor um etwas gebeten habe …«
»Spar dir die Mühe. Während du und ich hier stehen und reden, läuft sein Blut schon in die hübsche Opferschale, die dein Bruder für den Tempel gemacht hat.«
Austin lag auf dem Opferstein und fragte sich, ob Inga den Männern befohlen hatte, seine Arme seitlich ausgestreckt zu halten, um ihn und seinen Gott zu verhöhnen. Und genau wie Christus am Kreuz war auch er nackt, und er schämte sich dessen. Hast du dich deiner Blöße geschämt, Herr, als sie dich ans Kreuz schlugen, dich verspotteten und um deine Kleider würfelten? Bist du mit mir?
Etwa fünfzig Menschen standen im Halbkreis vor dem Altar. Inga hatte nur die Standhaftesten unter ihren Gläubigen zu dieser geheimen Zeremonie geladen, denn was sie heute hier tun mussten, hatte seit Menschengedenken niemand mehr getan, und sie wollte vermeiden, dass die Zaghaften und die Furchtsamen das heilige Ritual störten.
Sie beendete ihren Gesang und drehte sich langsam zu ihrem Opfer um. Wie immer war ihr Gesicht vollkommen von der Kapuze beschattet, sodass die Priesterin ein geisterhaftes Wesen wurde, das Werkzeug ihrer Götter. Ihr Gewand schimmerte blutrot im Schein der beiden Feuer links und rechts.
Bedächtig trat sie an den Stein und zog das Messer aus dem weiten Ärmel. Auch die Klinge leuchtete im Feuerschein. Ein leises Raunen wie ein Seufzer erhob sich
unter den Versammelten, doch sogleich kehrte die Stille zurück.
»Siehe, Vater der Götter, das Opfer, welches wir dir darbringen«, rief das gesichtslose Wesen und reckte die Arme empor.
Austin sah dorthin, wo er Ingas Augen vermutete. »Auf Gott will ich hoffen, ich fürchte mich nicht. Was könnte mir ein Sterblicher antun?«
Er sprach seinen Psalm auf Lateinisch, und die Hand mit dem mörderisch scharfen Dolch zuckte. »Sei still!«, zischte die
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