Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
Dienerschaft, den Gang mit den Süßspeisen aufzutragen. Sofort kamen zwölf Diener herein und stellten Tabletts auf den Tisch: Das erste kam in die Mitte, es war ein Schaugericht aus Eischnee und Zucker, das den Kampf des heiligen Georg mit dem Drachen darstellte. Auf den anderen Platten lagen kandiertes Obst, Fettgebackenes und welsche Nusstörtchen, bei denen alle nun beherzt zugriffen. Danach dauerte der Empfang nicht mehr lange; einer nach dem anderen der Gäste verabschiedete sich.
Auch Ciaran wurde bedeutet, dass er nun gehen könnte; er aß noch etwas Naschwerk im Stehen, dann drückte man ihm seinen Lohn in die Hand, und er packte die Harfe ein. Schon war er auf dem Weg treppab, als ihm einfiel, dass er seinen Saitenspanner auf dem Fenstersims vergessen hatte. Also kehrte er noch einmal um.
Im Saal waren die Aufräumarbeiten in vollem Gang: Mägde rafften die Tischtücher mitsamt allem, was darauf war, an den vier Zipfeln zusammen und warfen sie sich über die Schulter. In der Küche würde man den Inhalt herausklauben, die Reste den Armen und die Leinlaken zur Wäsche geben. Danach kamen die Knechte und hoben die Tafeln auf. Die roh zusammengezimmerten Tischplatten und Böcke, Bänke und Stühle trugen sie nach draußen ins Treppenhaus. Ciaran schlängelte sich zielstrebig zu der Fensternische durch, in der er gesessen hatte, fand sein kleines Werkzeug und steckte es ein. Draußen musste er allerdings feststellen, dass die Treppe inzwischen durch einen ganzen Stapel mit zerlegten Möbeln blockiert war, die erst nacheinander von der Dienerschaft hinuntergetragen werden mussten. Darauf wollte er nicht warten, und so kehrte er um und folgte dem Gang in die entgegengesetzte Richtung. Solch ein vornehmes Gebäude wie das Hohe Haus hatte sicherlich einen zweiten Treppenaufgang.
Ganz hinten führte der Gang um eine Ecke; an seinem Ende sah Ciaran Licht. Dorthin lenkte er seine Schritte, und tatsächlich, er hatte eine Schneckentreppe entdeckt, die in engen Wendeln nach unten führte. Gerade als er seinen Fuß auf die erste Stufe setzen wollte, hörte er hinter sich ein helles Lachen und erkannte es sofort. Das musste die wunderschöne Dame sein, die an der Seite des Burggrafen gesessen hatte! Das Gelächter kam aus einem Zimmer, dessen Tür wohl unabsichtlich ein Stück weit offen stand. Ciaran konnte seiner Neugier nicht widerstehen, er drehte sich um und lugte vorsichtig durch den Spalt.
Er sah in einen kleinen Raum, dessen Boden mit kostbaren Teppichen ausgelegt war. Auch an den Wänden hingen gewirkte Behänge gegen die Kälte, dicke, bodenlange Vorhänge aus glänzendem Damast verschlossen ein großes Fenster. Eine Art orientalischer Diwan, wie ihn mancher Kreuzfahrer wegen seiner wunderbaren Bequemlichkeit daheim hatte nachfertigen lassen, stand quer vor einem kleinen Kamin, davor ein Tischchen mit Konfekt und Wein. Vor dem Diwan lagen die beiden Doggen und kauten zufrieden an ein paar Knochen.
» … dass er die beiden nicht gleich in ein und dieselbe Kammer steckt!«, hörte Ciaran die Frau sagen. Und da war wieder dieses silberhelle Lachen.
»Dann könnten sie sich gegenseitig erwürgen und das Konzil hätte zwei Sorgen weniger«, antwortete eine Stimme, die vermutlich dem Burggrafen gehörte. Ciaran konnte die beiden nicht sehen, sie standen in der Hälfte des Raumes, die von der Türe verdeckt wurde. Offensichtlich sprachen sie über den Papst und den böhmischen Magister. Ohne recht zu wissen, warum, blieb Ciaran stehen und horchte weiter.
»Gott bewahre«, sagte wieder die weibliche Stimme. »Wir brauchen diesen Cossa noch!«
»Unsinn! Deine großartigen Pläne sind ohnehin gescheitert, jetzt, wo Sigismund den Papst gefangen genommen hat. Nun kann ihn das Konzil ohne Schwierigkeiten absetzen. Du hast das Spiel verloren, meine Liebe, der Punkt geht an den König.« Das war der Burggraf.
Ciaran hörte ein wütendes Zischen. Stoff raschelte, ein leises Tappen, und die blonde Schönheit erschien in seinem Sichtfeld. Mit schnellen Bewegungen ging sie zum Kamin und trommelte mit den Fingern nervös auf den Sims. Der Burggraf trat zu ihr hin und umarmte sie lächelnd, aber sie stieß ihn weg. »Lass mich«, brauste sie jäh auf.
»Ei, ei, wir spielen wieder einmal die Raubkatze«, grinste Friedrich und zog sich mit erhobenen Händen ein Stückchen von ihr zurück. Er schenkte zwei Pokale mit Wein voll und reichte der Dame einen davon. »Fahr deine Krallen ein und überleg dir lieber etwas
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