Die Silberne Festung
Wir sind der Überzeugung, daß es Land-, Luft- und Seefahrzeuge aus Entfernungen von über sechzehnhundert Kilometern orten kann.«
Diese Behauptung löste lautstarke Proteste aus. Csilikows Stimme übertönte schließlich alle anderen. »Sechzehnhundert Kilometer? Unmöglich!
Das kann kein Radargerät.«
»Kein auf der Erde installiertes, Genosse Minister. Aber für ein im Weltraum stationiertes Radargerät gibt es keine Größen- oder Reichweitengrenzen. Seine Reichweite hängt lediglich von der Stromversorgung ab –und die Sonnenkollektoren der Armstrong-Raumstation könnten den ganzen Kreml mit Strom versorgen.«
»Soll das etwa heißen«, fragte der stellvertretende Verteidigungsminister Iljanowski, »daß eine einzige Raumstation den gesamten Aufmarsch für das Unternehmen Feder überwachen kann? Tausende von Land- und Luftfahrzeugen, die in bergigem Gelände und bei schlechtem Wetter über riesige Räume verteilt sind? Unmöglich!«
»Das mag unmöglich klingen«, stimmte Goworow dem Oberbefehlshaber der Roten Armee zu, »aber unsere Berechnungen zeigen, daß diese Gefahr besteht.«
»Trotzdem behaupte ich, daß es unwichtig ist, ob dieses Radarsystem solche Wunderdinge kann«, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Marasimow, der Oberbefehlshaber der Strategischen Raketenstreitkräfte. »Die Raumstation befindet sich in einer Polarumlaufbahn. Sie ist nicht ständig über dem Nahen Osten stationiert und kann das fragliche Gebiet pro Tag zwar mehrmals, aber immer nur für kurze Zeit überwachen. Deshalb ist sie als Frühwarn- und Befehlsstation ungeeignet.«
Goworow zögerte kurz. »Das stimmt, aber…«
»Dieses teure Spielzeug ist nicht leistungsfähiger als ein gewöhnlicher Aufklärungssatellit«, fuhr Marasimow fort und lächelte dem jüngeren Offizier gönnerhaft zu. »Was Sie über das SBR der Armstrong-Raumstation gesagt haben, stimmt natürlich… falls der Radar arbeitet, wenn das betreffende Gebiet überflogen wird, falls er einwandfrei funktioniert, falls das Bedienungspersonal seine Anzeigen richtig deutet und falls diese Informationen so rechtzeitig weitergeleitet werden, daß regionale Befehlsstellen etwas damit anfangen können. Das sind vier verdammt große Unsicherheitsfaktoren.«
Marasimow nickte Csilikow zu. »Ich finde, daß unser junger Kollege einige sehr… interessante Informationen vorgebracht hat, aber ich bin der Überzeugung, daß das Radargerät der amerikanischen Raumstation den Erfolg des Unternehmens Feder nicht behindern wird.«
Goworow war sichtlich verblüfft. »Entschuldigen Sie, Genosse Minister, aber…«
»Danke, Generalmajor Goworow.« Csilikow schnitt ihm energisch das Wort ab. »Ich erwarte die Oberbefehlshaber der Teilstreitkräfte in zwei Wochen zum Vortrag über ihre Aufmarschpläne für das Unternehmen Feder.«
Während der Verteidigungsminister weitere Befehle erteilte, sank Goworow auf seinen Metallklappstuhl zurück. Er bemühte sich, keine Miene zu verziehen, aber seine Augen verengten sich wütend, als einige der stellvertretenden Minister und Marschälle ihm amüsierte Blicke zuwarfen.
Sie wollen’s einfach nicht glauben, sagte er sich. Aber sie werden’s noch glauben müssen. Die amerikanische Raumstation läßt sich nicht einfach wegreden oder -wünschen.
Edinburgh, Schottland
Von der als Argyle Battery bezeichneten nördlichsten Bastion des Edinburgh Castle bot sich ein atemberaubender Blick auf Edinburgh.
Einige wind- und wetterfeste Touristen besichtigten die imposante Festung hoch über der Stadt, aber Aufseher und Angehörige der Schloßwache waren in der Überzahl. Nur einige warm angezogene Zuschauer beobachteten, wie die Royal Scots Dragoon Guard zur Geschützstellung Mill’s Mount marschierte, um den Einuhrschuß abzugeben.
»Die Einwohner, Kaufleute und Seeleute stellen ihre Uhren seit Napoleon Bonapartes Zeiten nach dem Einuhrschuß«, erläuterte ein Fremdenführer. Der um die Zinnen heulende eisige Wind machte seinen starken schottischen Akzent noch schwerer verständlich, aber der links neben ihm stehende Mann, der einen grauen Trenchcoat, einen weichen Filzhut, Lederhandschuhe und eine Sonnenbrille trug, hörte nicht wirklich zu. »Es heißt sogar, daß der heilige Christopherus, der Schutzpatron der Reisenden, jeden Tag in Edinburgh vorbeischaut, um die Bahnen von Erde und Mond nach dem Einuhrschuß zu kontrollieren, damit die Seeleute sich nicht verirren.«
»Warum wird die Kanone um ein Uhr abgefeuert?«
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