Die silberne Göttin
Angelegenheit ist. Und wenn man an die Tischmanieren einiger unserer besten Leute denkt, kann man ihren Standpunkt verstehen."
Ein Lächeln ließ ihr Gesicht weicher erscheinen. Er hatte also mit seiner früheren Beurteilung Recht gehabt. Seine verzweifelte Dame war schön, wenn sie lächelte. Außerordentlich schön sogar. "Dieses Kleid steht Ihnen sehr gut. Sie erinnern mich an die Jugendbildnisse meiner Großmutter, mit ihrem gepuderten Haar."
Ihr Lächeln erlosch, und sie blickte auf ihre gefalteten Hände nieder.
Die Dame schien, was ihr Haar betraf, empfindlich zu sein. "Verzeihen Sie mir. Es scheint, als wäre ich nicht sehr taktvoll gewesen, doch ich finde Ihr Haar sehr hübsch. Mögen Sie es nicht?"
Sie zog die reizende Nase kraus, aber sie wich seinem Blick nicht aus. "Man wünscht wohl kaum, so alt auszusehen, wenn man erst vierundzwanzig ist."
"Alt?" Er lachte schallend. "Meine liebe Miss Kethley, Sie könnten gar nicht alt aussehen, selbst wenn …" Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. "Ganz egal, unter welchen Umständen. Dazu sie sind Sie viel zu schön."
"Jetzt schmeicheln Sie mir", meinte sie mit schief gelegtem Kopf und zog die Brauen hoch. Doch dabei umspielte ein Lächeln ihren Mund.
Rob lächelte zurück. "Halten Sie mich für einen Mann, der Übung mit Schmeicheleien hat?"
Sie betrachtete ihn nachdenklich. "Nein", sagte sie schließlich. "Sie sehen eher wie ein Mann aus, der sagt, was er denkt."
"Das stimmt. Ich bin ein offener Mann, und ich sage ganz offen, dass ich Sie ungewöhnlich apart finde. Darf ich Ihnen ein Glas Wein anbieten?"
"Danke." Ihr zustimmendes Nicken bezog sich auf sein Angebot, nicht auf sein Kompliment. "Ich weiß, dass der Sturm noch immer tobt, aber … Gibt es keine Möglichkeit, meinen Eltern in Hill House eine Nachricht zukommen zu lassen? Ich sagte ihnen noch nicht einmal …"
"Dass Sie ausgefahren sind? Ich habe mich schon gefragt, wer Ihnen erlaubt hat, allein hier heraufzukommen." Rob blickte ernst. "Es tut mir Leid, aber ich kann unmöglich in diesen Schneesturm hinaus. Innerhalb einer Stunde wäre ich tot."
"Oh nein! Das verlange ich auch nicht. Ich hoffte nur …" Sie seufzte. "Es war dumm von mir. Verzeihen Sie."
Rob wollte tröstend ihre Hand ergreifen, doch bei der kleinsten Bewegung nahm Iantha die schlanke Hand vom Tisch und legte sie in den Schoß. Es war seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass sie, als er ihr leicht die Hand auf den Rücken legte, während er sie zum Stuhl geleitete, schon bei der leisesten Berührung zur Seite getreten war. Auch hatte sie seinen Arm nicht genommen, als sie gemeinsam die Treppe hinuntergeschritten waren. Allem Anschein nach war seine gerettete Schönheit ihrem Retter gegenüber ziemlich misstrauisch. Und unter diesen Umständen … Nun, vielleicht würden die Zeit und die nähere Bekanntschaft das ändern.
"Nein, nicht dumm – es ist durchaus verständlich." Er goss sich Bier aus einem Krug in seinen Humpen. "Sie sind gewiss in einer sehr unangenehmen Situation, doch ich weiß nicht, was ich heute Nacht noch dagegen tun könnte – und vielleicht auch morgen noch nicht. Sie leben also bei Ihren Eltern. Da Sie die Anrede 'Miss' akzeptieren, gehe ich davon aus, dass Sie nicht verheiratet sind?"
"Nein. Bin ich nicht." Sie nahm einen winzigen Schluck Wein. Die Gefahr, durch den starken Wein betrunken zu werden, schien bei dieser vorsichtigen Dame nicht groß zu sein. "Ich lebe bei meiner Familie. Mein Vater ist der Viscount Rosley. Ich habe noch zwei jüngere Brüder und eine Schwester, die auch noch zu Hause sind. Dann habe ich auch noch eine ältere Schwester – sie hat Lord Rochland geheiratet – und einen älteren Bruder bei der Kavallerie."
"Eine vielversprechende Familie, in der Tat. Fahren Sie oft allein aus?"
"Von Zeit zu Zeit."
"Und Ihre Eltern haben nichts dagegen?"
Ein schelmisches Lächeln erhellte ihr sonst so ernstes Gesicht. Bezaubernd. "Ich sage nicht, dass sie nichts dagegen haben. Doch sie verstehen mich …" Sie wurde wieder ernst. "Es gibt Augenblicke, da muss ich einfach mit mir allein sein. Und ich ertrage es nicht, lange drinnen zu bleiben. So nehme ich dann meine Malsachen, gehe ins Hügelland und male etwas, das weit ist und mich wieder aufrichtet. Ich war ungefähr eine Stunde gefahren, als das Missgeschick passierte. Ich hatte vor, The Eyrie im Schnee zu malen."
"Ach so, jetzt verstehe ich die Sache mit dem Malkoffer. Dann ist das Malen wohl ihre
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