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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
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gut, wenn du meinen Rat hören willst … Hier ist er: Du bist ein Soldat. Bleib ein Soldat. Glaube nicht einer Geschichtenerzählerin. Auch keiner freien und realgeborenen. Legenden sind nur Legenden. Woher will Lystra überhaupt von Kalypso wissen, wenn noch nie ein Mensch dort gewesen ist? Überwinde deine innere Unruhe und verdränge die Fragen. Du bist ein Soldat, geboren, um zu kämpfen. Finde dich damit ab. Es ist besser so.«
    Tajima erhob sich langsam.
    »Vielleicht hast du recht, Ahiron.«
    »Bestimmt.«
    Tajima nickte. Langsam erst, dann stärker. »Gut. Dein Rat hat mir immer geholfen. Vielleicht auch diesmal. Ich werde ihn befolgen. Ich werde die Restzeit mit Lystra verbringen und Kalypso dann vergessen.«
     

 
3.
     
    Wir sind auf der Suche nach Erkenntnis. Um zu verstehen und zu begreifen, muß der Verstand von unnötigem Ballast befreit werden. Darum leben wir asketisch. Es ist unsere hohe Pflicht, den Grundsätzen zu gehorchen und Freude daraus zu schöpfen. Es ist nicht immer leicht. Aber die Belohnung ist hoch. Eines nicht mehr fernen Tages werden wir unser Ziel erreicht haben. Bis dahin muß die Aufgabe fortgesetzt werden.
    Postulate der Asketischen Kirche
     
    Zehn gewonnene Schlachten bedeuten einen Teilsieg, zwei Teilsiege einen Ganzerfolg. Sind die Kriegsbeobachter der Asketischen Kirche der Überzeugung, daß die Alten Regeln eingehalten worden sind, dann kann dem Gewinner der Kriegssieg zugesprochen werden. Er erhält dann alle Rechte aus diesem Status …
    Die Alten Regeln
     
    Der Shikahma gebundene Prophet schritt langsam und bedächtig durch den Prunksaal. Er schwenkte tönerne Gefäße, aus deren langen Hälsen gelbe und braune Dämpfe quollen. Sie formten sich zu Armen, die über den langen Edelholztisch krochen, zu Fingern, die die Feuer der Talgfackeln an den Wänden berührten. Es war ein alter, hagerer Mann, in dessen faltigen Zügen lange Erfahrung zu lesen war. Karamanash Ohtani beobachtete den Gebundenen Propheten aus den Augenwinkeln und lauschte den Magischen Worten, die murmelnd und flüsternd über die dünnen Lippen kamen.
    »Ich rufe euch, die ihr seid«, raunte der Gebundene Prophet. Seine Hände vollführten genau abgestimmte Bewegungen. »Ich rufe euch und euren Beistand. Behütet diesen Ort. Haltet ihn fern von verderblichen Einflüssen.« Er berührte die einzelnen Sitzungsteilnehmer, und Karamanash Ohtani verspürte einen kurzen, kalten Hauch, als sich die Kraft der Magischen Stimme des Propheten für eine Sekunde in sein Innerstes ergoß. Er lächelte, aber sein Gesicht blieb ausdruckslos. Er war nicht so dumm, den Bannsprüchen dieses Propheten zu vertrauen. Zwar war er vom Shikahma auf die Aufgabe verpflichtet worden, mit seiner Magischen Kraft dafür zu sorgen, daß es während einer Sitzung zu keinen unliebsamen Zwischenfällen kam, aber es gab genug Möglichkeiten, den Bannsprüchen zu entgehen. Ein stärkeres Bannwort etwa, das den Geist des Gebundenen Propheten benebelte und ihn Dinge ausführen ließ, von denen er gar nichts wußte.
    Unauffällig tastete der Familienpatriarch nach dem winzigen, quallenartigen Hybriden, der an seiner Hüfte mit seinem Körper verbunden war. Beinah sofort erhielt er Antwort: ein Hauch von Wärme, der Kälte verdrängte, die ferne Präsenz einer starken Kraft.
    Achte auf meine Umgebung, dachte Karamanash intensiv. Ich möchte keine Überraschungen erleben.
    Der Hybridensymbiont leitete seine Gedankenstimme weiter, so daß sie von seinem persönlichen Gebundenen Propheten mühelos verstanden werden konnte.
    Natürlich, Hoher Herr, wisperte eine Stimme hinter seiner Stirn. Sie können sich ganz auf mich verlassen.
    Nach und nach nahmen die restlichen Shikahma- Mitglieder ihre Plätze ein: der Vertreter des Ker-Clans, der Horn-Familie, der Händlersippe der Tergins, die zwar über keinen großen Landbesitz verfügte, aber einen Großteil des Verteilungsmarkts kontrollierte und somit, den Shikahma -Grundsätzen entsprechend, ebenfalls über ein Mitspracherecht verfügte. Schließlich war das Shikahma fast vollständig. Nur der Vertreter des Wyant-Clans fehlte noch. Er kam zu spät. Wie immer.
    Karamanash Ohtani erhob sich. Er war groß und breit in den Schultern. Er mochte etwa achtzig Normjahre alt sein, und sein Körper drückte Spannkraft und sein Gesicht Macht aus. Das lange schwarze Haar war zu einem Zopf zusammengebunden, der weit den breiten Rücken hinabfiel.
    »Verehrte Shikahma -Mitglieder«, sagte er, und seine Stimme

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