Die Sirenen von Kalypso
Tajimas Gedanken.
»Eine Sirene«, sagte Rovaria.
»Ich bin bereit.«
»Gut.«
Zwei Hirne, wie ein magnetischer Pol, dessen Feldlinien sich über eine ganze Welt erstreckten und auf der Suche nach verstärkender Kraft war.
Kontakt.
Es wischte Tajimas Gedanken einfach beiseite. Es war wie flüssiges Feuer in seinem Körper. Eine Flamme, die verbrannte und versengte, auflöste und zerstörte. Erkenntnis brachte, die nicht verarbeitet werden konnte.
Zu … stark … meine Abschirmung … ich sterbe …
Die Mentalstimme Rovarias kam wie aus weiter Ferne. Tajima konnte sie kaum verstehen. Das Bild vor seinen Augen verschwamm. Er spürte einen anderen Einfluß, der an ihm zerrte, und er spürte auch, wie das, was ihn bisher am Leben erhalten hatte, durchlässig zu werden begann. Die Kraft der metamorphierenden Sirene war zu stark. Sie verbrannte ihn.
Die Körper Rovaria Loucas und Tajima Nimrods lösten sich auf. Ein energetischer Strudel erfaßte sie und zerrte sie in die Schwärze des Mreydtors.
Transfer.
Retransfer.
Kraft entlud sich. Sie war wie eine gewaltige Flutwelle, die sich über ganz Leseitis ergoß. Sie war wie ein katalytischer Faktor, der den Schlaf beendete. Die Energie strudelte in die Hirne der drei Sucher, die mit dem Ich des Soldaten verbunden waren. Die Spezialhybriden verbrannten zu Asche. Die Kraft aber driftete weiter durch den Verbindungskanal und sickerte in das Hirn Aimin Ohtanis. Der Patriarch starb im Bruchteil einer Sekunde. Ebenso die Gebundenen Propheten, die mit ihm verbunden waren. Die Energie weckte und aktivierte gleichartige Faktoren.
Die Elementaren Gewalten von Leseitis erwachten aus ihrem Halbschlummer. Die Energie wurde weitergelenkt und zu einem Keil, der den Finstermann auflöste und in die Andere Welt zurückdrängte. Der Schock, den das Andere Geschöpf erlitt, war stärker als der vor dreißig Jahren.
Es war der Augenblick der Wahrheit, die Sekunde umfassender Erkenntnis.
Überall auf Leseitis erstarrten die Propheten. Die Zeit des Schweigens währte nicht lange, aber sie reichte aus, um alles zu begreifen. Die Rolle der Kirche, die Lange Beschwörung, das Schüren der Clankriege, die Alten Regeln, die den Asketen alles und den Familien nichts gaben.
Die Sekunde verstrich.
Aber danach war nichts mehr so, wie es gewesen war. Bannschwellen, die sich im Augenblick der Wahrheit aufgelöst hatten, waren wirksamer als zuvor. Die Magie hatte sich selbst verstärkt.
Propheten sanken auf die Knie. Überall ertönten Lobpreisungen auf die Elementaren Gewalten.
Als Tajima wieder zu sich kam, füllte Ruhe sein Innerstes aus.
»Du warst nur ein Werkzeug«, sagte Rovaria an seiner Seite. »Du bist nur durch einen glücklichen Zufall dem Tod entronnen.«
»Ich weiß.« Alles war klar: Seine Unruhe – nur durch eine Genveränderung in den Kellergewölben der Ohtanis entstanden. Lystra – ebenfalls nur ein Werkzeug. Er hatte einer metamorphierenden Sirene lauschen und dann sterben sollen. Die Kraft aber hätte sich in die Batteriehirne der drei Sucher ergossen, wo sie für die Ohtanis verwendbar gewesen wäre.
Alles war anders gekommen.
Die Energie war nur ein Katalysator für die halbschlafenden Elementaren Gewalten von Leseitis gewesen.
Tajima legte den Kopf in den Nacken. Das Höllenfeuer brannte am Himmel. Einige Meter entfernt war der Spalt im Boden, der zum Mreydtor führte. Es hatte sein Leben gerettet. Das aktivierte Mreydtor, dessen energetischer Strudel ihn im Augenblick der körperlichen Auflösung erfaßt und transferiert hatte – und die Abschirmkraft des Realsimulacrums. Die Geschichtenerzählerin mußte schon damals mehr gewußt haben. Vielleicht hatte sie ihn deshalb mit Rovaria Louca bekannt gemacht. Er konnte keine Antwort auf diese Frage mehr finden. Lystra war tot.
»Die Macht der Asketischen Kirche ist gebrochen«, sagte das Realsimulacrum. »Spürst du es ebenfalls, mein Soldat?«
»Ja. Die, die sind, erwachen. Die Magie wird sich verstärken. Alles verändert sich.«
»Ja.« Sie lachte. »Die Außenwelten brauchen keinen Missionskrieg der Leseitiskirche mehr zu befürchten. Vielleicht werden sogar die Familien ihre Streitigkeiten vergessen. Vielleicht bricht jetzt eine bessere Zeit an. Dehn die Lüge gehört der Vergangenheit an. Jeder Prophet wird sofort die Wahrheit beschwören können. Intrigen sind unmöglich.« Sie sah Tajima an und lächelte. »Wer weiß, vielleicht waren es sogar die, die sind, die deine Schritte lenkten,
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