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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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»die Größe Gottes« hätten preisen sollen, als »die Ketten Gottes« wiedergegeben und anschließend ein Dutzend Mal falsch kopiert.
    Das sind nicht die einzigen Instruktionen, die ich mir merken muss, aber die einzigen, die einer Niederschrift bedürfen. Der Wolf muss warten …
    Ich renne zum Zelt des Bauleiters, überreiche ihm meine Notizen, überzeuge mich, dass er sie verstanden hat, und laufe dann die rund anderthalb Meilen bis zum Harem am anderen Ende des Palastes.
    Der Harem ist ein in jeder Hinsicht verbotener Ort. Sein Name leitet sich von dem Ausdruck für verboten ab, haram . Einen Harem zu betreten heißt, eine unsichtbare Linie zu überschreiten, von der Öffentlichkeit zum Privaten überzugehen, vom Profanen zum Heiligen. Es ist, als lüftete man einen Schleier, als dringe man in einen intimen Raum ein. In der Welt da draußen spüren die Menschen diese Grenze in ihrem Herzen und in ihrem Bewusstsein, doch in Ismails Palast sind die Übergänge greifbarer: vier bewachte Tore aus Eisen. An jedem einzelnen muss ich mein außerplanmäßiges Erscheinen erklären, obwohl ich einer der wenigen bin, die sich frei zwischen beiden Welten bewegen dürfen – der männlichen und der weiblichen, der äußeren und der geheimen.
    Der Oberste Eunuch des Harems blickt auf mich herab. »Ja?«
    Qarim ist einer von Ismails eigenen Gefolgsleuten: Männer, die dazu ausgebildet wurden, dem Sultan absolut treu ergeben zu sein. Sein Bruder Bilal bewacht das Tor zu Ismails Privatgemächern, ein Kerl mit Muskeln wie Zedernholz und einem ebensolchen Schädel. Die meisten Wachen sind nicht älter als neunzehn oder zwanzig, aber die reinsten Riesen. Ich selbst bin hochgewachsen, trotzdem überragen sie mich um einen halben Kopf und sind doppelt so breit. »Du weißt, wer ich bin, Qarim. Du siehst mich jeden Tag.«
    »Aber gewöhnlich nicht an diesem Tag und zu dieser Stunde.«
    Der hohe, helle Klang seiner Stimme überrascht mich jedes Mal aufs Neue; er passt einfach nicht zu seiner Statur. Es heißt, dies passiere mit jenen, die schon früh im Leben entmannt werden.
    »Hast du eine schriftliche Genehmigung?«
    »Qarim, du weißt genau: Selbst wenn ich eine hätte, als Schreiber des Sultans hätte ich sie vermutlich selbst geschrieben.«
    Diese Logik scheint seinen Horizont zu übersteigen. Er starrt mich weiter an.
    »Ich hatte etwas für die Herrscherin zu erledigen«, füge ich hinzu.
    Seine Augen schweifen hinab zu meinen leeren Händen und dann wieder aufwärts zu meinem Gesicht. Ich halte seinem Blick stand, bis er endlich einem drahtigen, dunkelhäutigen Knaben von sechs oder sieben zuruft: »Such Amina und sag ihr, Nus-Nus wünscht, ihre Herrin zu sehen.«
    Der Junge flitzt davon. »Amina, Amina!«, hallt es durch die Säle wie das Geschrei eines gefangenen Vogels.
    Ich will weitergehen, doch Qarims mächtige Pranke schließt sich um meinen Arm. »Es ist besser, die Herrscherin nicht unangemeldet zu besuchen.«
    Nach einer Weile kommt der Kleine zurück und hinter ihm eine üppige Frau, deren rote babouches geräuschvoll über den Marmorboden schlappen. Ihr Gesicht ist schweißüberströmt, ihr Kopftuch in Eile verknotet. Sie wirkt äußerst ungehalten. »Wo sind Zidanas Bestellungen?«, fährt sie mich an.
    »Leider habe ich sie noch nicht bekommen und wollte deshalb mit ihr persönlich sprechen.«
    Amina verzieht den Mund. »Sie hat zu tun. Sie hat mich geschickt, um die Sachen abzuholen, die sie im souq bestellt hat.« Sie beäugt mich misstrauisch, als hätte ich sie irgendwo an meinem Körper versteckt und weigerte mich, sie herauszugeben. Am Ende stößt sie einen Seufzer aus und gibt mir ein Zeichen, ihr zu folgen.
    Ich gehe hinter ihr her und beobachte mit grausiger Faszination, wie sie beim Gehen die ausladenden Hüften schwenkt. Sie könnte einen Mann zerquetschen so wie der Fuß eines Elefanten einen Hund. Beleibte Frauen sind hier, wo sich nur ein armer Mann eine dünne Frau wünscht, hoch angesehen. Um zuzunehmen, essen die Frauen zumeta , eine reichhaltige Paste aus Nüssen, Butter und den zerstampften Samenkörnern der tifidas oder Bittermelone. Man kann förmlich zusehen, wie sie anschwellen.
    Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis wir die Gemächer der Herrscherin erreichen, und inzwischen bin ich sozusagen hypnotisiert von Aminas wiegendem Gang. Dazu kommt der allgemeine Aufruhr in meinem Kopf, sodass mir vor lauter Schreck die Luft wegbleibt, als die Frauen sich zu mir umdrehen. Einen

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